Der Schwimmer: Roman (German Edition)
wenn die Tage heiß waren. Sie trug Schwarz, schwarze Strümpfe, Schuhe und Kleider, an jedem Tag ging sie so, und sie hatte helles Haar, von dem Isti sagte, es sehe aus wie Zuckerwatte. Wenn sie es kämmte, band sie einen gelben Frisierumhang unter ihrem Kinn fest, und dann verbrachte sie Stunden vor dem Spiegel, kämmte ihr Haar über den Scheitel, von rechts nach links und wieder von links nach rechts. Wenn am Gartentor jemand nach ihr rief, streifte sie den Umhang ab, zog die guten Schuhe an und ging leise über den Hof. Bevor sie morgens den Kaffee aufsetzte, legte sie einen Putzlappen vor den Herd und ein Stück Stoff in die Küchentür, auf das wir unsere Schuhe stellten, bevor wir ins Zimmer gingen. An heißen Tagen schloß sie die Fensterläden, und wenn Isti klagte, es sei zu dunkel, sagte unser Vater, wenn du es hell willst, geh raus auf die Straße. Und wir gingen hinaus, nicht, weil wir es hell wollten, sondern weil wir hinaus wollten, weg von diesem Hof, von diesem Zimmer und den Stoffstücken in den Türen, hinaus auf die Straße, wo wir Spinnweben suchten und uns fragten, warum sie hier so anders aussahen als in Vat oder in Szerencs oder am See.
Niemand nannte seine Mutter beim Vornamen, nur mein Vater tat es, er nannte sie einfach Anna, und Isti und ich, wir machten es genauso, auch wir sagten einfach Anna zu ihr, und Isti sprach fortan von unserem Vater als Kálmán, aber nur, wenn uns niemand hören konnte. Anna schien es nicht zu stören, daß wir sie Anna nannten, obwohl sie sich sonst an allem störte und für alles Regeln aufstellte, die wir einzuhalten hatten. Wir wußten nicht, ob es ihr ernst war, wenn sie sagte, mit dem Fahrrad fahrt ihr nur ins Dorf, nicht weiter, wenn ihr Kirschen pflückt, eßt nicht davon, und wir wußten nicht, was wir tun sollten, wenn Anna morgens sagte, ihr dürft nicht auf dem Sofa schlafen, und dann abends, wenn wir uns aufs Bett legten, ihr dürft nicht auf dem Bett schlafen.
Annas Haus war der erste Ort, an dem wir, Isti und ich, kein Bett für uns hatten, wir schliefen auf dem Sofa, auf einer Decke mit zehn roten Rosen, die Isti noch in der ersten Nacht gezählt hatte, so wie wir die Ecken jedes neuen Zimmers zählten, bevor wir einschliefen, weil wir immer noch glaubten, dann würde wahr werden, was wir in der Nacht darauf träumten. Wir schliefen Kopf an Fuß und Fuß an Kopf, und jedesmal, wenn Isti sich umdrehte, drehte ich mich auch um.
Anna erlaubte nicht, daß wir mit dem Messer vom Brot schnitten, und sie hatte Angst, ich würde zuviel Kaffee in die Kanne füllen oder das Wasser vergessen oder die Kanne nicht vom Herd nehmen, wenn der Kaffee kochte. Sie ließ uns nicht aus den Augen und beschwerte sich bei unserem Vater, daß sie uns nicht aus den Augen lassen könne. Sie schaute durchs Fenster zu uns in den Hof und auf die Straße, sie lief hinter uns her, wenn wir in Gräben sprangen, wenn wir hinter der Scheune, hinter den nächsten Häusern verschwanden, und sie rief unsere Namen, wenn wir uns versteckten, so leise, als sei es gar kein Rufen, abwechselnd Kata, Isti, Kata, Isti, so lange, bis es uns zuviel wurde und wir uns zeigten.
Anna schimpfte, wenn Isti beim Trinken den Löffel in der Tasse ließ, und sie mahnte unseren Vater, wenn sein Besteck auf dem Teller zu hören war und sein Haar beim Essen in die Stirn fiel. Sie sagte, nicht den Mund führt ihr zum Löffel, sondern den Löffel zum Mund, und sobald sie sich wegdrehte, legte Isti einen Löffel auf die Tischkante und schnappte mit dem Mund danach. Manchmal, wenn Anna redete, wenn sie sagte, was wir durften und was nicht, hielten Isti und ich Gläser vor unsere Augen, durch die wir schauten wie durch eine Linse, hinter der alles kleiner wurde, der Tisch, die Teller, die Messer, das Brot, unser Vater, selbst Anna, während sie redete und redete, und dann standen wir auf, sagten: Verzeihung, weil Anna uns gemahnt hatte, unsere Sätze mit Verzeihung zu beginnen, Verzeihung, wir haben uns den Hals verrenkt, kippten die Köpfe Richtung Schulter und liefen stundenlang im Kreis durch das Zimmer, um den Küchentisch, über den Hof, in die Scheune und wieder zurück, bis Anna zu meinem Vater sagte, deine Kinder sind verrückt, du hast verrückte Kinder.
Wenn Anna am Nachmittag auf der Küchenliege einschlief, spielten Isti und ich vor dem Kleiderschrank, auf den Anna einen großen Spiegel geklebt hatte. Isti riß die Schranktür auf und schlug sie zu, und ich stand hinter ihm, nur um zu
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