Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
Vom Netzwerk:
verstärkt, um ihren Glanz zu betonen. Kurz, sie sah aus wie eine von einem wahren Meister bemalte Statue.
    »Erheb dich, meine Liebe«, forderte sie mich auf. »Lass mich dich anschauen. So erwachsen!«, gurrte sie. »Praktisch schon eine Frau! Und wir hatten ein kleines Mädchen mit Zöpfen erwartet.«
    Als sie mich auf die Wange küsste, wurde ich von einem penetranten Duft nach Rosenöl geradezu erstickt. Ich zuckte zusammen und machte Anstalten zurückzuweichen. Wie eine Klinge zerlegten mich ihre kalten, abschätzenden Augen.
    Laute Kratzgeräusche lenkten uns ab. Diener stellten weitere Tische und Stühle auf. »Wir haben soeben die Sitzordnung besprochen«, begann Enrique. »Isabella möchte zusammen mit ihrem Bruder und Fernando speisen. Ich sehe nichts, was dagegen …«
    »Auf gar keinen Fall!«, fuhr ihm Juana über den Mund. »Sie muss mit meinen Hofdamen speisen, wie es sich gehört. Hast du nicht gesagt, dass sie in meiner Obhut ist?« Sie streckte Enrique die Hand entgegen. Er prallte angesichts der langen Fingernägel zurück. »Hör auf damit«, murmelte er. Schulterzuckend fasste sie mich am Arm und führte mich zum nächsten Tisch.
    »Warte«, sagte Enrique.
    Sie zögerte.
    »Ich finde, Isabella und die infantes sollten heute Abend mit mir speisen.«
    »Aber Beltrán de la Cueva speist doch heute Abend mit dir, erinnerst du dich? Du hast versprochen …«
    »Ich weiß, was ich versprochen habe. Aber ich bin der König. Ich habe das Recht, es mir anders zu überlegen. Beltrán de la Cueva ist mein Untertan. Lassen wir ihn zusammen mit meinen anderen Untertanen speisen, wie es sich gehört.«
    Ihre Finger gruben sich in meinen Arm. »Enrique, ist das klug? Du weißt, wie schnell Beltrán sich verletzt fühlt, und du hast wirklich versprochen, ihm heute Abend deine Gunst zu erweisen.«
    »Dann soll er sich von mir aus verletzt fühlen«, erwiderte Enrique ungerührt. Gleichwohl wurde ich den Eindruck nicht los, dass ihm Auseinandersetzungen, egal welcher Art, nicht behagten, und am wenigsten mit seiner Frau. »Zum ersten Mal seit meiner Thronbesteigung habe ich meine Angehörigen bei mir. Sie speisen heute mit mir. Das befehle ich.«
    Sie stieß ein angespanntes Lachen aus. »Aber natürlich, ja! Nicht nötig, gleich Befehle zu erteilen, mein Lieber. Der Platz auf dem Podest reicht allerdings nicht für uns alle. Oder sollen wir auf Kissen speisen so wie die Mauren?«
    Enriques Stimme wurde härter. »Ich habe gesagt: Isabella und die infantes . Du kannst sitzen, wo immer du willst. Auf diese Weise kannst du Beltrán de la Cueva einen Platz frei- halten. Seine Würde zu wahren, scheint dir ja ohnehin ein besonderes Anliegen zu sein.«
    Sie erstarrte – ob vor Schreck oder Wut, konnte ich nicht beurteilen.
    »Ich werde mit Ihrer Hoheit speisen«, piepste Alfonso. »So kann auch sie bei ihren Verwandten sein.«
    Enrique blickte Alfonso an. »Du bist sehr wohlerzogen, Bruder. Wenn Ihre Hoheit damit einverstanden ist, kannst du ihr gern Gesellschaft leisten.«
    Vor Eifer glühend, wandte sich Alfonso der Königin zu. Das Einzige, was er sah, war eine Frau in Nöten. Er war noch zu jung und unerfahren, um zu erkennen, was mir peinlich klar war. Obwohl sie nach Jahren der Unfruchtbarkeit endlich ein Kind geboren hatte, behandelte Enrique sie ohne Respekt und Liebe. Traf es etwa zu, was mir Beatriz während des Ritts nach Ávila anvertraut hatte? Herrschte am Hof Argwohn bezüglich der Vaterschaft des Kindes? Bezweifelte am Ende sogar mein Halbbruder, dass das Kind von ihm stammte?
    »Wie könnte ich solcher Galanterie widerstehen?« Sie bedachte Alfonso mit einem kühlen, koketten Lächeln, dann schnippte sie mit den Fingern, und ihre Hofdamen marschierten in einer Prozession zum nächsten Tisch.
    Während die Bediensteten den Thron forttrugen und einen Banketttisch auf dem Podest aufstellten, beobachtete ich den Erzbischof. Seine buschigen schwarzen Augenbrauen waren grimmig zusammengezogen, sein Blick starr auf die Königin gerichtet, die nun, flankiert von ihren Hofdamen, meinen Bruder demonstrativ rechts neben sich platzierte. Die offene Verachtung in Carrillos Haltung verblüffte mich. Für einen Moment war die Maske der Jovialität von ihm abgefallen und eröffnete den Blick auf etwas Hartes und sehr viel Dunkleres darunter.
    »Wenn Eure Majestät mich entschuldigen«, sagte er, an Enrique gewandt. »Auf mich wartet eine äußerst wichtige Angelegenheit, die erledigt werden muss.«
    Mein Bruder

Weitere Kostenlose Bücher