Der Schwur der Venezianerin
Familien von Florenz präsentierte.
Die Piazza Santa Croce war mit Hanfseilen abgetrennt und in ein rechteckiges Feld aufgeteilt worden. Hinter den Seilen wurde köstliche Getränke serviert und Konfitüre in großen Silberschüsseln angeboten.
Der größte Spaß setzte für die Zuschauer ein, als das Spiel schon eine Weile gelaufen war. Da vergaßen die Spieler wie aus heiterem Himmel die Regeln und nicht nur der Ball wurde getreten. Man versuchte sich am Gegenspieler. Eine Art Ritterturnier ohne Waffen und ohne Pferde. Beim Treten und Prügeln, beim Stoßen und Rammen waren im Nu alle 54 Spieler in eine einzige Rauferei verwickelt. Verletzte lagen auf dem Pflaster, schleppten sich hinaus oder wurden von Freunden hinausgetragen. Allzu viel Unglück konnte nicht geschehen. Alle Spieler waren am Tag zuvor durch die Straßen von Florenz gelaufen und waren unter dem Jubel des Volkes in die Kirche „Santa Annunziata“ geströmt, um den Schutz der Heiligen Jungfrau zu erflehen. Blaue Augen oder auch ein gebrochenes Bein hinderten die Spieler nicht daran, anschließend gemeinsam zum Essen zu gehen. Auf Einladung des Großherzogs natürlich.
Schließlich hatte sich der Kampf für sie gelohnt. Sie waren gesehen worden, von den edelsten Fürsten, den schönsten Frauen, den kräftigsten Burschen. Der Fürst und seine Gattin selbst zeigten sich gegen Ende des Calcio. Sie ließen es sich nicht nehmen, die Galaaudienz für eine Weile zu unterbrechen und sich nach Santa Croce zu begeben. Es war eigens eine riesige Tribüne aufgebaut worden, von der aus Herzöge und Grafen, Prinzen und Prinzessinnen in prunkvollen Gewändern zuschauten. Jung und Alt hockten in den Bäumen, auf den Dächern und auf den Stufen von Santa Croce. Immer, wenn die Trommeln wirbelten, die Trompeten schmetterten und wenn es einen gewaltigen Böllerschuss gab, schrie das Volk begeistert und feuerte die Kämpfenden an. Es war nicht genau auszumachen, wer nun die Sieger waren, doch fielen sich zum Schluss alle Spieler in die Arme. Wahrscheinlich waren sie auch nur über das Ende dieses Gerangels froh.
Eine Gruppe von Adligen stellte den Sieger fest. Ein grenzenloser Jubel setzte ein. Der Fahnenträger, der die siegreiche Mannschaft vertrat, ging auf die Bühne und sang ein Menuett, dann übergab er das Wappen seiner Familie an seine Geliebte.
Der Kampf der Ritter mit dem ledernen Ball stellte sich als eine großartige Huldigungszeremonie an das Großherzogspaar dar. Die glücklich Vermählten begaben sich in ihrer Gold geschmückten Kutsche unter erneuter Anteilnahme der Bevölkerung zurück in den Palazzo Pitti. Wo am Abend ein ausgedehnter Ball stattfand.
Für Bianca Cappello war das Ziel ihrer Wünsche und Träume erfüllt. Was sie sich vor fünfundzwanzig Jahren vorgenommen hatte, war erreicht. Was wollte sie mehr? Was waren ihre nächsten Ziele? Hatte sie welche?
Den Saft der Liebe hatten beide ausgiebig gekostet. Bianca hatte den Duft der Macht geschnuppert, sie hatte in den Sänften der Huldigung gesessen, den mächtigsten Mann der Toskana beherrscht und gelenkt. Sie probte weiterhin an dem Elixier für die ewige Schönheit und das ewige Leben.
Die Festlichkeiten hatten mehrere Tage gedauert. Der Strom der Gäste riss nicht ab und hielt selbst nach der Trauung an. Besucher aller Herren Länder waren herbeigeströmt, dem Großherzogtum Toskana die Referenz zu erweisen. Es gab Empfänge im Palazzo Vecchio, einen im Palazzo Pitti, in den Villen Poggio a Caiano, in den wunderbaren Gärten von Pratolino, in Pisa und in Lucca, in Siena und in Prato.
Häufiger hörte man von der Straße: „Das Glück ist wieder in unseren Palazzo Pitti eingezogen.“ Hohe Gäste, die sich längere Zeit mit Francesco und Bianca unterhalten konnten, nahmen den Eindruck mit, es herrsche Glück und Zufriedenheit beim Großherzogspaar.
Am Abend nach der Reihe von Festen, nach den Huldigungen und nach vielen Liebesnächten mit seiner Geliebten und nun Ehefrau Bianca schaute Francesco in seinem Ankleidezimmer in sein Gesicht. Entsetzt stellte er fest, noch niemals habe er nach einer Feier so trostlos ausgesehen. Seine Wangen erschienen blass, die Augen müde, sein Haar ergraut. Um seine Mundwinkel zeigten sich tiefe Furchen. Die Sinnlosigkeit und Ziellosigkeit seines Lebens hatten ihren Höhepunkt erreicht. Eine tiefe Bedeutungslosigkeit erfüllte ihn. Sein Vater hatte sich aus dem Leben verabschiedet, sein Bruder wollte nichts von ihm wissen, seine Ehefrau Johanna
Weitere Kostenlose Bücher