Der Schwur der Venezianerin
Geistes sprengen. Ich werde stolz aus diesem Gefängnis am Rio del Ponte delle Beccarie hinausmarschieren und dich den leckenden Lefzen deines Beichtvaters überlassen. Höre, du verbohrte Hexe“, Bianca verengte ihre Augenlieder, schaute auf die lebendige Welt unterhalb des Balkons ihrer Kammer und schleuderte ihre Vorsätze allein durch ihre Gedanken hinaus in die Welt ihrer Zukunft.
„… höre, und höret alle meinen Schwur: Ich will an der Seite eines Mannes stehen, der Schlachten schlägt und Kriege gewinnt, der Staaten lenkt und ein Imperium des Reichtums leitet. Und ich will noch viel mehr, ich will diesen Mann beherrschen.“
Das schöne Mädchen streckte seine Arme aus über die Menschen, die sich auf den Straßen bewegten. Sie erfasste die Geschäfte und Banken, die sich eines regen Publikumsverkehrs erfreuten, sie nahm sie mit ihren Gedanken ein, die sichtbare und unsichtbare Welt, die nahen und weit entfernten Herrscher und Besitztümer.
„Ich will Liebe und Reichtum, frei sein und beherrschen, ich will, dass man auf mich hört. Ich werde alle mir möglichen und zur Verfügung stehenden Mittel dafür einsetzen. Lucrezia, ich werde nur noch eine überschaubar kurze Zeit nach deiner Pfeife tanzen. Ich werde sticken, ja, aber anders, als du willst. Ich sticke mir meine eigenen Regeln. Nach diesen Regeln werde ich mein Leben genießen. Du, Lucrezia, wirst darin keine Rolle mehr spielen. Du wirst nur noch von Ferne eifersüchtig mein Hochkommen betrachten. Das Heer deiner Spione wird nicht so weit reichen, mich zu überwachen und zu entführen.“
Noch wusste Bianca nicht, wie sie es anstellen sollte, sie war aber davon überzeugt, ihren eigenen Weg zu gehen. Diese Überzeugung erschien ihr oft genug wie die Tat selbst.
Wie sie es aus einem strategischen Kriegsbuch der venezianischen Flotte kennengelernt hatte, machte sie sich daran, alle ihre Vorteile aufzulisten. Doch begann sie zunächst mit den Dingen, die sie einengten, sie unglücklich machten. Wieder stand die Stiefmutter im Vordergrund, die sie eigentlich vergessen wollte. Sie sah die eingesperrten Tage, den Zwang, sticken und den Zwang, stunden- und tagelang Cembalo spielen zu müssen. Sie hörte die Verbote, sich mit den Werken der Bibliothek auseinanderzusetzen. Alles Wissen, alle Erkenntnisse musste sie heimlich erfahren, sich über Umwege beschaffen. Bianca wusste, dass nur ein Ausbruch aus der Enge des Palazzogefängnisses in die ferne, weite Welt ihr Glück bedeuten konnte.
Da es niemanden gab, der es für sie getan hätte, musste sie selbst ihre Geschicke in die Hand nehmen. Und das war der andere Faktor der Strategie. Der Spiegel bewies es: Sie war hübsch, ausgesprochen schön. Sie verstand es, Gestik, Mimik und alle ihre körperlichen Reize einzusetzen. Ihr Verstand konnte brillieren, ihre Rede war geschliffen. Durch die Anmaßungen der Stiefmutter waren Duldsamkeit und Ausdauer hinzugekommen. Um das Ziel ihres Weges zu erreichen, standen die Werkzeuge zur Verfügung. Ziel und Mittel zur Erreichung erklärte sie gleichermaßen zu ihren eigenen Regeln, nach denen es sich zu richten galt.
Zu keiner anderen Zeit war in Venedig die Anzahl der geborenen Kinder größer als neun Monate nach der fröhlichen Zeit des Karnevals. ‚Jeder Säugling, der geboren wurde, komme mit einem Lächeln der Mutter auf die Welt‘, sagte man im Volksmund.
Als der Karneval nahte, bereitete Venedig sich auf den Ansturm der vielen Tausend Menschen aus fremden Ländern vor. Die Stadt spielte von Jahr zu Jahr das Spiel, das der Bevölkerung als Ventil diente, seine Unterdrückung durch Adel und Patrizier wegblasen zu können. So, wie der Deckel sich von dem dampfenden Kochtopf hebt, um den überschüssigen Druck hinauszulassen, verhinderte der Karneval eine Explosion. Auch die Patrizierwelt hatte den Karneval entdeckt. Verkleidet mit schönen und grässlichen Masken und den buntesten Kostümen stürzten sich die Menschen in wilde Abenteuer, die ihnen sonst verwehrt blieben. Endlich konnte man in die Rolle schlüpfen, die man schon lange spielen wollte. Ein Bettler sammelte unter der Markussäule lange für ein entsprechendes Kostüm, um als Patrizier den Karneval zu verbringen, der Edle wollte doch schon lange einmal ein Bauernmädchen in seinem Bett liebkosen. Auch der kam zu seinem Genuss.
Versteckt unter Kostümen, unerkannt durch eine Maske, näherten sich die Menschen aneinander, suchten die geschlechtliche Ekstase, liebten mehrere Tage lang jeden,
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