Der Schwur der Venezianerin
abendliche Mahl. Bruder, Ihr könntet der Erste sein.“
Pietro hatte mit aufgerissenen Augen dem Burgherrn gelauscht, sprang sogleich auf, als es hieß, er könne ein Bad nehmen und wurde schon von einem Bediensteten eine schmale Treppe in den oberen Raum geführt.
„Von jetzt an würden sie getrennt sein“, überlegte Bianca, „und Pietro ist freiwillig darauf hereingefallen. Würde er alleine damit zurechtkommen?“
Sie hockte in ihrer Kutte auf dem eher unbequemen Stuhl eingesunken wie ein Sack Rüben und dachte, „wenn sich der Burgherr, schon so großzügig gibt, warum führt er mich nicht endlich in den Salon?“
Kaum jedoch war Pietro in dem Treppenhaus verschwunden, sprach der Burgherr mit einem anderen Ton zu ihr.
„Hört zu“, so begann er, „das ganze Spiel vor mir sollte jetzt beendet sein. Ihr seid weder ein Mönch, noch müsst Ihr betteln. Ihr seid nicht stumm, noch seid Ihr ein Mann.“
Entsetzt schaute sie ihm in die Augen.
Seine Stimme wurde leise, als flüstere er einem Vogel ein Geheimnis zu.
Übergangslos fügte er an:
„Bianca Cappello seid herzlich willkommen in meinem Heim, der Festung von Brisighella.“
In der Zwischenzeit hatte ihm ein Diener einen Krug mit Wein gebracht, die Gläser von Bianca und seines gefüllt.
„Noch einmal seid herzlich willkommen. Macht Euch keine unnötigen Gedanken. Bei mir seid Ihr in Sicherheit.“
„Ist er ein besonders durchtriebener Verräter“, durchfuhren die Gedanken ihr Gehirn, „oder ist er ein Helfer? Feind oder Freund?“
Sie wandte sich ihm mit mutigem Blick zu, warf mit einer plötzlichen Kopfbewegung die Kapuze ab, dass die vollen blonden Haare über ihre Schultern wallten. Dann nahm sie das gefüllte Glas auf und nickte ihm zu, trank einen kleinen Schluck, wohl wissend, dass sie lange keinen Wein getrunken und die Anstrengung der Bergbesteigung sie erschöpft hatte.
„Es wird Zeit, Signore, dass Ihr Euch vorstellt“, lächelte sie den Burgherren kühl an.
„Gut, nun wissen wir Bescheid, spielen kein Theater mehr. Ihr könnt Euch vorstellen, dass auf dieser Burg, in diesen Höhen die Floskeln der Höflichkeit nur manchmal eine größere Rolle spielen, doch meist sind sie nur überflüssiger Ballast.“
„Tut Euch keinen Zwang an, Signore“, erwiderte sie sarkastisch.
„Ihr seid auf der Flucht aus Eurem Elternhaus mit Eurem Gefährten Pietro Bonaventuri nach Florenz. Das Lamone Tal scheint Euch der sicherste Weg zu sein, obwohl es viele andere sichere Möglichkeiten gegeben hätte.“
Er machte eine Pause und da hinein rief sie:
„Was wollt Ihr von mir?“
„Ihr werdet es nicht glauben. Nichts will ich von Euch oder Eurem Gefährten. Im Gegenteil, ich sorge mich um Eure Sicherheit.“
Das war zu viel des Guten. Immer dann, wenn sich jemand um ihr eigenes Heil zu kümmern schien, hatte ihr Gefahr gedroht.
Sie war wachsam wie ein stolzes Pferd, dessen einziges Kampfinstrument die Flucht sein könnte. Aber selbst die Flucht blieb ihnen hier versagt. Daher könnte sie auch gleich in den Angriff gehen und ihren Stolz behalten.
„Ich kann Eure Vorsicht verstehen, Eure ganze Sippe ist hinter Euch her. Ihr werdet gejagt, als hinge das Wohl des Hauses Cappello von Euch ab. Das hat sich längst über alle Grenzen hinweg herumgesprochen.“
Ein Stich fuhr ihr durchs Herz und ließ sie erzittern. Kaum von zu Hause fort, schon fühlte sie Schmerz und Wehmut. Andererseits glühte der Hass gegen ihre Stiefmutter, Lukrezia, erneut auf, und sie fühlte Unverständnis ihrem Vater gegenüber. Die verstorbene Mutter war die Einzige, zu der sie jemals volles Zutrauen entwickelt hatte. Mit Sehnsucht gedachte sie des einzigen lieben Menschen in ihrem Leben. Gerade deswegen musste sie jetzt vorsichtig sein. Zu starke Gefühle aus der Erinnerung könnten sie unvorsichtig werden lassen und in Gefahr bringen.
Erneut sprach der Burgherr.
„Die Einzelheiten erspart mir. Nur eines, ich bin nicht ein Freund Eurer Familie. Man kann eher sagen, ich bin ein wahrer Gegner Eures Herrn Vater. Das Ganze hat kirchliche Gründe. Da gibt es eine Auseinandersetzung um kirchliches Land, die schon vor unserer Zeit begann. Die Burg unterliegt der Herrschaft der Kirche.“
„Oh, Gott, auch das noch“, fuhr es der jungen Frau durch den Sinn. Doch schon berichtete der Burgherr weiter.
„Ich verwalte sie im Auftrag des Bischofs. Ich stamme aus dem ehemaligen Geschlecht der Manfredi, auch wenn ich nur einer Nebenlinie angehöre. Die Manfredi haben
Weitere Kostenlose Bücher