Der Schwur des Maori-Mädchens
nichts, aber auch gar nichts von einer Maori. Bis auf das eine: Seine Augen waren nicht blau, sondern verräterisch braun. Ripeka fröstelte, doch dann nahm ein herzzerreißendes Schreien ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. Sie wiegte das Kind hin und her, bis es endlich Ruhe gab. Da erst legte sie es Maggy an die Brust. Die aber starrte den Säugling an, als wäre er der Teufel selbst.
»Sie ... sie ist wie ... wie ... sie sieht genauso aus wie ... wie ...«, stammelte Maggy völlig verstört, während sie das hungrige Kind stillte.
»Kindchen, das ist nicht dein Problem«, versuchte Ripeka sie zu beruhigen. Unterdessen stierte Bella Morton das Neugeborene an, als wäre es von einem anderen Stern. Sie warf Ripeka einen fragenden Blick zu, doch die reagierte nicht. Was sollte sie auch sagen? Es war offensichtlich, dass das kleine Mädchen dort eine waschechte Pakeha war.
Maggy aber war den Tränen nahe. Wieder einmal hatte der Herr ihre Gebete nicht erhört. Was würde Tiaki dazu sagen? Doch mit einem zärtlichen Blick auf das Neugeborene, das laut schmatzend an ihrer Brust sog, waren alle diese Bedenken wie weggeblasen. Ihr Herz wollte schier überquellen vor lauter Liebe für dieses zarte, rot gelockte, wunderschöne Wesen aus einer anderen Welt.
Nachdem die Kleine auch noch die zweite Brust gierig leer getrunken hatte, schlief sie ein. Ripeka nahm Maggy trotz ihres Protestes das schlafende Kind ganz sanft aus den Armen.
»Sie muss gebadet werden«, sagte sie leise und verließ das Zimmer mit dem Baby auf dem Arm.
»Maggy, wer ist der Vater des Kindes?«, fragte Bella Morton jetzt ohne Umschweife.
Maggy zuckte zusammen. »Ich, ich habe geschworen, es nie, es keinem Menschen je, nie zu verraten«, stammelte sie.
»Hat dich der Mann dazu gezwungen?«, hakte Bella erbarmungslos nach.
Maggy schüttelte heftig den Kopf.
»Was ist dann geschehen, und vor allem, wer war es?«
»Ich darf es nicht sagen. Ich habe es auf die Bibel geschworen, und wenn ich den Schwur breche, wird ein großes Unheil geschehen«, presste Maggy verzweifelt hervor.
Bella stieß einen tiefen Seufzer aus. »Wer dich auch immer dazu verdonnert hat, das war nicht rechtens und ganz sicher nicht im Sinne des Herrn. Ich kann mir allerdings schon vorstellen, wer ...«
»Pst! Bitte sprechen Sie nicht weiter. Das ist Sünde.«
Bella biss sich auf die Lippen, doch dann zischte sie durch die Zähne: »Wer sich hier an wem versündigt hat, das gilt es noch zu klären!«
»Bitte, bitte, sagen Sie nichts! Zu niemandem. Ich werde mit dem Kind fortgehen, sobald ich wieder auf den Beinen bin.«
»Und was ist mit Tiaki?«
»Sie glauben doch nicht allen Ernstes, dass er mich noch heiraten wird, wenn er ...«
»Wann werde ich dich nicht heiraten?«, ertönte nun Tiakis Stimme. Er war so leise in das Zimmer getreten, dass sie ihn nicht gehört hatten.
»Du?« Ihre Augen waren vor Staunen geweitet. Sie kroch rasch bis zum Hals unter die Decke. Er musste ja nicht unbedingt einen Blick auf die von der Geburt befleckten Laken erhaschen.
»Ich habe dir doch versprochen, dass ich nach dir sehe, wenn unsere Mission erfüllt ist, aber ich möchte dich lieber noch einmal vor dem allerletzten Schlag in meine Arme schließen. Wer weiß ...«
»Ihr werdet es doch nicht noch einmal versuchen, oder?«, mischte sich Bella Morton ein.
»Doch, wir müssen. Und wenn Sie es erlauben, möchte ich mit Makere unter vier Augen sprechen. Es gibt da einiges zu klären.«
»Ich habe vorhin mein Kind bekommen«, sagte Maggy heiser.
»Was ist es ? Ein Junge oder ein Mädchen ?« Sein Gesicht bekam einen weichen Zug.
»Ein kleines Mädchen«, erwiderte Bella statt Maggy, und sie fügte hastig hinzu: »Aber du wirst es heute nicht sehen können, denn Ripeka und ein paar Maori-Frauen veranstalten ein Geburtsritual und werden vor heute Abend nicht zurück sein ...«
Tiaki stand die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. »Schade, ich hätte sie so gern vorher gesehen, denn ich muss bald zurück, weil wir uns am Abend noch einmal mit Kawitis Männern besprechen, und am elften März ist es endlich so weit...«
»Seid doch nicht dumm, dieses Mal werden sie euch mit Waffengewalt davon abhalten. Es wird Tote geben«, unterbrach Bella ihn energisch.
»Nein, uns wird nichts geschehen, denn nicht nur unsere Ahnen sind auf unserer Seite, sondern auch Gott steht uns bei. Er ist nicht nur der Herr
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