Der Schwur des Maori-Mädchens
gleichzutun. Wie betäubt tat dieser, was der Rotrock verlangte. Der zog ihn am Ärmel seines Oberteils mit sich fort, während Walter ihnen hinterherfluchte. Flüche, für die es, hätte Matthew auch nur jemals einen davon im Mund geführt, Schläge seitens des frommen Mannes gesetzt hätte. Matthew fröstelte.
»Geh nach Hause, mein Junge«, riet der Soldat Matthew.
»Ich habe kein Zuhause mehr«, erwiderte er.
»Gut, dann nehme ich dich mit auf das Schiff und bringe dich mit den anderen nach Auckland. Dein Arm hat einen Streifschuss abbekommen. Der muss behandelt werden. Damit ist nicht zu spaßen. Auf dem Schiff ist ein Arzt, der ...«
Matthew aber schüttelte heftig den Kopf. »Nein, ich bleibe hier!«
In diesem Augenblick erklang ein unmenschliches Geheul, und Matthew drehte sich noch einmal um. Es kam aus Walters Mund. Der Reverend hockte neben Emily am Boden, streichelte und küsste sie abwechselnd, wenn er nicht gerade diese Laute eines waidwunden Tieres ausstieß.
Matthew hielt sich die Ohren zu und rannte, ohne sich von dem Soldaten zu verabschieden, zu seinem Boot. Wie ein Besessener ruderte er zur anderen Seite der Bucht hinüber. Er wandte sich nicht einmal um, obwohl hinter ihm das Inferno losbrach. Laute Maori-Gesänge erklangen und gingen im dröhnenden Kanonendonner unter. Die Hazard hatte damit begonnen, Korora-reka zu beschießen. Matthew aber ruderte ohne Angst an den großen Schiffen vorbei. Wenn mich jetzt eine Kugel trifft, wäre das auch nicht schlimm, durchfuhr es ihn ungerührt, doch dann fiel ihm Maggy ein. Er durfte sie nicht noch einmal im Stich lassen, sondern musste zu ihr, und zwar auf dem schnellsten Weg. Am besten noch heute Nacht. Und dann musste sie ihm verraten, welches Tier sich über sie hergemacht hatte, damit er es töten konnte.
Dieser Gedanke ließ ihn auch den pochenden Schmerz in seinem Arm vergessen, während er, in Paihia angekommen, zu dem weißen Haus stürzte, in dem er seine Jugend verbracht hatte und das er noch heute für alle Zeiten hinter sich lassen würde. Er würde die Wunde reinigen und verbinden, sich etwas zum Essen holen, um sich sogleich auf den Weg zur Mission zu machen. Er quälte sich mit Selbstvorwürfen, dass er sich nicht um sie gekümmert und sie ihrem Schicksal überlassen hatte, als sie ihn gebraucht hätte, während er das Nötigste einpackte.
Als er in der Küche schließlich gierig nach einem Kanten Brot griff, durchfuhr ein Schmerz seinen verletzten Arm so intensiv, dass ihm schummrig wurde. Er spürte nur noch den Aufprall seines Hinterkopfes auf dem harten Küchenfußboden.
Te Waimate, 13. März 1845
Bella Morton hatte vor Erschöpfung dicke schwarze Ringe unter den Augen. Seit dem späten Nachmittag des elften März suchten immer mehr Einwohner aus Russell Zuflucht in der Mission. Die Lehrerin sorgte gemeinsam mit Ripeka für deren Unterbringung und Verpflegung. Sie waren unermüdlich auf den Beinen. Zwar waren die meisten auf der Hazard nach Auckland gebracht worden, doch es gab auch diejenigen, die auf eine schnelle Rückkehr hofften, oder jene, die sich wegen kranker Familienangehöriger nicht auf den Weg mit dem Schiff gemacht hatten. Die Berichte der verzweifelten Menschen berührten die beiden Frauen zutiefst. Deshalb versuchten sie auch mit aller Macht, Maggy von den Flüchtlingen fernzuhalten. Und das war kein leichtes Unterfangen, denn die junge Frau wollte so gern helfen, seit sie vom Wochenbett aufgestanden war.
»Dein Kind braucht dich, und du musst dich ausruhen«, hatte Bella Morton ihr wiederholt eingeschärft, doch mit einem Blick zur Tür musste die Lehrerin feststellen, dass es vergeblich gewesen war. Maggy stand da mit einem Flachskorb im Arm und blickte sie flehend an.
»Die Kleine schläft. Ich würde mich so gern nützlich machen«, bat sie inständig.
Bella und Ripeka warfen sich einen bekümmerten Blick zu. Bella hob die Schultern und seufzte: »Komm her, Maggy, du kannst das Gemüse putzen.«
Eifrig machte sich die junge Mutter an die Arbeit. »Habt ihr vielleicht etwas von meinen Eltern gehört?«, fragte sie schließlich. Eine Frage, die Bella befürchtet hatte.
»Nein, aber wahrscheinlich sind sie auf der Hazard nach Auck-land gebracht worden«, entgegnete die Lehrerin rasch.
»Und was meint ihr, warum Tiaki noch nicht gekommen ist, um mich zu holen?«
Wieder warfen sich die beiden Frauen einen verstehenden Blick zu. Dasselbe hatten sie
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