Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schwur des Maori-Mädchens

Der Schwur des Maori-Mädchens

Titel: Der Schwur des Maori-Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
Vom Netzwerk:
Enkelin.«
      »Nein, das kann nicht sein. Lily Ngata hatte kein Kind. Das weiß ich ganz genau. Seien Sie ehrlich. Sie sind Reporterin und haben sich hier eingeschlichen, weil Sie wissen wollen, was es mit den vielen Bittbriefen für Lily auf sich hat.«
      »Sie irren sich. Lily Ngata hatte einen Sohn, der allerdings von ihr getrennt wurde, als er ein kleines Kind war ...«
      Der alte Herr musterte Vivian skeptisch. »Sie sehen ihr aber gar nicht ähnlich.«
      »Ich komme mehr nach Lilys leiblicher Mutter, aber es wäre freundlich, wenn Sie mir jetzt auch Ihren Namen verrieten.«
      Der Mann mit dem weißen Haar entschuldigte sich für sein unhöfliches Benehmen. Er stand formvollendet auf und stellte sich vor. »Mein Name ist William Brewer.«
      »Der Anwalt?«, entfuhr es Vivian.
      »Ja, ich war einst Lilys Anwalt und bin es in gewisser Weise heute noch.«
      Er deutete auf einen Stapel Briefe.
      »Alle diese Menschen haben sich für Lily starkgemacht. Ich habe vor jeder Tür in Mangawhai gestanden und gefragt, wer den Engel der Maori gekannt habe. In fast jedem Haus wusste jemand eine Geschichte zu erzählen, wie Tamati und Lily Leben gerettet hatten.«
      »Ich weiß. Matui hat es mir erzählt«, erwiderte Vivian ungerührt.
      »Matui? Sie lügen!«, rief der alte Anwalt empört aus. »Er muss längst tot sein.«
      »Nein, er ist der Unruhestifter, der uns wochenlang das Leben schwer gemacht hat«, mischte sich der Vikar ein.
      »Aber warum haben Sie mir das nicht gesagt? Es wurde überall nur von dem alten Maori gesprochen. Aber Matui kann gar nicht mehr am Leben sein. Er war doch damals schon viel älter als ich. Und sehen Sie mich an. Ich werde bald achtzig.«
      »Ja, das ist er, er ist uralt, und er hat nicht mehr lange zu leben. Deshalb bin ich ja hier. Ich möchte, dass Lily Ngata geehrt wird und dass Matui diesen Tag noch erleben darf. Herr Pfarrer, beeilen Sie sich, bitte!«
      Dem weißhaarigen alten Mann liefen bei ihren Worten Tränen über die Wangen. Er stand auf und kam stürmisch auf Vivian zu. »Lass dich umarmen, du bist unverkennbar ihre Enkelin. Diese Stimme, diese Art zu sprechen.« Nachdem er sie kräftig gedrückt hatte, wandte er sich dem Vikar zu. »Nun hören Sie doch endlich, was sie sagt! Stellen Sie das Denkmal für Lily auf und eröffnen Sie es feierlich. Ist es denn schon fertig?«
      Der Pfarrer erhob sich seufzend und griff nach der Schnitzerei.
      »Da ist sie. Sehen Sie, er hat sogar ihren Namen hineingeschnitzt. In Gedenken an Lily Ngata. Und Sie dürfen mir glauben, natürlich würde ich Ihnen und all den Menschen den Gefallen tun, aber der Reverend war ein Vertreter unserer Kirche ...«
      William Brewer hörte ihm gar nicht mehr zu. Versonnen strich er über das Gesicht aus Holz und murmelte: »Du bist es unverkennbar.«
      »Sie haben sie geliebt, nicht wahr?«, fragte Vivian leise.
      Der alte Anwalt nickte.
      »Bitte, tun Sie es!«, bat Vivian den Pfarrer.
      »Aber ... ich ... nein ... gut ... ja, sie soll ihr Denkmal bekommen.«
      »Und wann weihen wir es ein?«
      »Am Sonntag«, erwiderte der Geistliche gequält.
      Vivian lächelte ihn dankbar an. »Sie werden es nicht bereuen. Wahrscheinlich wird Ihre Kirche bis auf den letzten Platz besetzt sein. Aber nun muss ich rasch fort. Ich muss Matui davon berichten. Er hat so viel für mich getan, und ich bin glücklich, dass ich ihm etwas zurückgeben kann.«
      »Er war ja schon schlimm mit seinem Gehocke und Gesinge vor der Kirche, aber Sie sind eine Nervensäge, der man keinen Wunsch abschlagen kann«, knurrte der Vikar, und das klang keinesfalls böse, sondern eher bewundernd.
      Vivian aber war in Eile. Sie war schon fast aus der Tür, als der Anwalt sie aufhielt.
      »Können Sie mich mitnehmen?«
      Obwohl sie am liebsten auf den Berg gerannt wäre, ließ sie sich darauf ein, mit dem Anwalt, der sich bei ihr untergehakt hatte, gemächlichen Schrittes zu gehen.
      Sie waren gerade auf halbem Weg, als sie ein Keuchen hinter sich vernahm. »Vivi, warte!«
      Ihr Herz tat einen Sprung, als sie Freds Stimme erkannte.
      »Du bist schon zurück? Was hat er gesagt?«
      »Er wünscht uns alles Gute ...« Er stutzte. »Mister Brewer, was tun Sie denn hier in Whangarei?«
      »Ihr kennt euch?«
      »Natürlich, Mister Brewer ist der meistgefürchtete Strafverteidiger des Nordens. Ich habe oft über Prozesse berichtet, in denen er tätig wurde. Aber was treibt Sie auf diesen

Weitere Kostenlose Bücher