Der Schwur des Maori-Mädchens
werden dort wahrscheinlich wie die Exoten angestarrt. Und außerdem werden sie ohnehin in Neuseeland bleiben wollen, um ihresgleichen zum Heiraten zu finden ... Ach, wir werden sie in der Mission unterbringen.«
»Lass nur gut sein«, unterbrach Emily ihren Mann hastig. »Wir sollten jetzt essen. Ich sage Ripeka Bescheid, dass sie auftragen kann.«
»Mein Liebes, lenk nicht ab! Ich sehe doch, dass dich etwas quält. Du fürchtest dich doch nicht etwa immer noch vor ihnen?«
»Ich traue ihnen nicht.«
»Aber wir haben Frieden, wir haben einen Vertrag mit den Maori-Häuptlingen geschlossen. Es wird keinen Krieg mehr zwischen uns geben. Ich meine, nimm doch nur Maggy, sie ist die Sanftmut in Person«, erwiderte Walter nachdrücklich.
»Ich rede doch nicht von Maggy. Sie ist in unserem Haus aufgewachsen und in unserem Glauben erzogen worden. Du musst sie nur einmal beim Beten beobachten. Sie liebt unseren Herrn von ganzem Herzen. Maggy ist ein braves Kind, aber ...«
»Matthew bereitet dir Sorgen, nicht wahr?«
»Ja, ich weiß nie, was er denkt. Er ist zwar gehorsam und befolgt, was wir ihm sagen, aber er ist nicht mit dem Herzen dabei. Ich habe immer das Gefühl, dass darunter etwas brodelt. Er ist so verschlossen ...«
»Aber er ist wissbegierig und lernt schnell. An seinem Ehrgeiz könnte sich unser Henry ein Beispiel nehmen.«
Emily stieß einen tiefen Seufzer aus. »Aber Henry ist ein grundguter Junge. Zu sprunghaft, zu bequem, eben ein junger Mann, der den Ernst des Lebens noch nicht so recht begriffen hat. Doch wenn er erst June Hobsen geheiratet hat, dann wird er sicherlich ruhiger. Glaub mir. Er braucht nur eine Familie und eine feste Stellung.«
»Findest du nicht, dass es etwas früh ist? Ich meine ...«
»Der Junge ist vierundzwanzig, da wird es allerhöchste Zeit«, unterbrach Emily ihren Mann unwirsch.
Walter seufzte. Obgleich er sie abgöttisch liebte, war er nicht immer einer Meinung mit ihr, vor allem was den Charakter ihres einzigen leiblichen Sohnes anging. Aber er wusste auch, dass er in den seltensten Fällen eine reelle Chance hatte, seine Auffassung gegenüber Emily durchzusetzen. Sie hatte einen Dickkopf und wurde gleich ungnädig, wenn er nicht nachgab. Also zog er es vor, sich nicht weiter darüber auszulassen, warum der in seinen Augen völlig unreife Henry noch keine Familie gründen sollte. Und vor allem warum es ihn wurmte, dass der Bengel sich bei dem reichen Händler Hobsen ins gemachte Nest setzen wollte, statt erst einmal mit einer eigenen Leistung zu brillieren.
»Wie kommst du eigentlich darauf, dass die beiden heiraten?«, fragte er vorsichtig.
»Henry hat so eine Andeutung gemacht, und ich meine, was wollen wir mehr? June Hobsen ist das reichste Mädchen der ganzen Bay of Islands.«
»Aber leider nicht das hübscheste«, rutschte es Walter heraus. Das bereute er noch in demselben Augenblick bitter, denn diese unbedachte Äußerung brachte ihm einen tadelnden Blick seiner Frau ein.
»Darauf solltest du als Geistlicher dein Augenmerk ganz bestimmt nicht richten«, zischte sie.
»Tut mir leid, mein Liebling, aber ich bin nun einmal verwöhnt vom Anblick meiner schönen Frau, aber wenn du meinst, dass es etwas wird mit den beiden... Meinen Segen haben sie.« Er runzelte die Stirn und fügte nachdenklich hinzu: »Mir wäre es natürlich lieber, der Junge würde es erst einmal selbst zu etwas bringen, statt das Geschäft seines Schwiegervaters zu übernehmen, aber nun gut...«
»Ich glaube, was Liebesdinge angeht, solltest du das Urteil lieber mir überlassen ...«
»Aber mein Liebling, selbst wenn ich diese Bedenken überwinde, es gibt doch noch einen anderen Grund, warum ich der Verbindungskeptisch gegenüberstehe. Ich meine, wir wissen doch alle, dass sie seit dem Unfall mit der Kutsche ...«, stammelte Walter.
»Sie können Kinder annehmen. Das haben wir ja schließlich auch getan, nachdem uns Gott keine weiteren geschenkt hat, und ob du es glaubst oder nicht...«
Ein leises Hüsteln ließ Emily augenblicklich verstummen. Maggy war ins Zimmer getreten und hatte damit rechtzeitig auf ihre Anwesenheit aufmerksam machen wollen.
Wie immer, wenn Maggy auftauchte, wurde Walter Carring-tons Blick ganz weich. Er liebte sie wie eine eigene Tochter. Das Mädchen war knapp sechzehn und von einer solchen Schönheit, dass sich beinahe jedermann nach ihr umsah, der sie noch nicht kannte. Das bereitete Walter
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