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Der Schwur des Maori-Mädchens

Der Schwur des Maori-Mädchens

Titel: Der Schwur des Maori-Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
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die Hände, ohne aufzublicken. Immer wenn er sanft zum Beten genötigt wurde, musste er an seine Taufe denken. Er schüttelte sich heute noch bei dem Gedanken, dass man Kochwasser über seinem Kopf ausgegossen hatte, um seine heidnische Vergangenheit für alle Zeiten zu verjagen. Lustlos leierte er das Gebet herunter, das sein Ziehvater bei Tisch zu sprechen pflegte.
      Kaum war er fertig, als dieser ihn mit strenger Stimme ermahnte: »Matthew, ich finde, du hast allen Grund, dem Herrn deine Dankbarkeit zu erweisen, denn wenn er ...«
      Matthew stieß einen genervten Seufzer aus. »Ich weiß, Vater, wenn der Herr dich nicht zum Ufer des Kerikeri geführt hätte, wäre ich in den Fluten untergegangen.«
      Er sah seinem Ziehvater unerschrocken in die Augen und fühlte sich von dessen strafenden Blicken förmlich durchbohrt.
      »Dabei hättest du heute allen Grund zur Freude«, fügte Walter Carrington tadelnd hinzu.
      Matthew musterte ihn neugierig. Was meinte er damit?
      »Vater Sinclair aus Kerikeri war heute hier und hat mir das Versprechen gegeben, dich in der Missionsdruckerei anzulernen.«
      Statt in Begeisterung auszubrechen, zog Matthew ein langes Gesicht.
      »Ich hätte mir denken können, dass du es an der gebührenden Dankbarkeit fehlen lässt, mein Junge«, schnaubte Walter sichtlich getroffen.
      »Du bist ein undankbarer Bursche«, pflichtete Emily ihrem Mann bei. »Du würdest dich wirklich nützlich machen, und wir könnten den Katholiken von der Pompallier-Mission einmal zeigen, dass wir auch gute und fleißige Mitarbeiter haben.«
      Matthew grinste unwillkürlich in sich hinein. Vor dem wachsenden Einfluss der katholischen Mission drüben in Kororareka fürchteten sich seine Zieheltern mehr als vor dem Teufel. Er rang sich zu einem falschen Lächeln durch. »Das Handwerk könnte ich doch auch bei den katholischen Missionaren dort drüben erlernen. Sie haben eine der größten Druckereien im ganzen Pazifik. Was kann ich mir Schöneres vorstellen, als Bibeln herzustellen?«
      Henry warf seinem Ziehbruder ein breites Grinsen zu.
      »Mein lieber Junge, ich höre deinen Spott sehr wohl heraus, aber nenn mir nur einen deiner Maori-Freunde, der eine solche Gelegenheit bekommt«, schimpfte Walter.
      Matthew zog es vor zu schweigen und nahm stattdessen ein besonders großes Stück von dem Lamm. Nein, keiner seiner Maori-Freunde wurde in der Mission an der Druckmaschine unterrichtet, sie liefen auch nicht frisch gescheitelt in Sonntagsanzügen herum oder aßen an einem weiß eingedeckten Tisch. Sie waren freie Männer, denen kein Mensch verbot, sich nachts an einem heiligen Sonntag nach Kororareka oder Russell aufzumachen, wie der Ort nun seit drei Jahren offiziell hieß. Das kommt für den guten Reverend gleich nach Gotteslästerung, dachte Matthew mit einer Mischung aus Belustigung und Ärger. Er musste es geschickt anstellen, um sich bei Einbruch der Dunkelheit unbemerkt aus dem Haus schleichen zu können. Wenn er ehrlich war, war ihm selbst nicht ganz wohl bei dem Gedanken an seinen Ausflug auf die andere Seite der Bucht. Zu gut erinnerte er sich an das eine Mal, als er vor Jahren schon einmal in den Höllenschlund ausgerissen war, wie Emily Kororareka oder Russell stets zu nennen pflegte. Sein Ziehvater war ihm mit einem anderen Boot gefolgt und hatte ihn vor den Augen aller auf offener Straße windelweich geprügelt. Voller Scham erinnerte er sich an das Gefeixe der Gaffer. Die Walfänger hatten den Reverend mit unflätigen Worten aufgefordert, dem Jungen seine gerechte Strafe zu erteilen. Einige struppig aussehende Spitzbuben, die aus australischen Gefangenenlagern an diesen Ort geflohen waren, hatten schließlich ihre eigene Schlägerei angefangen und mit Flaschen durch die Gegend geworfen. Die Maori-Mädchen, die sich an die Seefahrer auf den in der Bucht ankernden Schiffen verkauften, hatten ihn hingegen voller Mitleid betrachtet. Nein, diese Demütigung würde er nie vergessen und dem Referend vor allem niemals verzeihen. Er war vierzehn gewesen, kein Kind mehr, sondern ein zum Krieger heranwachsender Jüngling. Und ein Krieger wollte er auch in Zukunft sein. Nur mit halbem Ohr lauschte er der weiteren Unterhaltung bei Tisch. Natürlich fielen ihm noch etliche Widerworte ein, aber er schluckte sie hinunter. Er ahnte, wie sein Stiefvater die Nase rümpfen würde, wenn er ihm voller Stolz erklärte, er wolle das Schnitzhandwerk erlernen und nichts anderes.
      Matthew atmete

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