Der Schwur des Maori-Mädchens
kaum, Zeitungsmann«, erwiderte Vivian schnippisch und lief voran, doch Fred hatte sie bald eingeholt. Ohne Vorwarnung packte er sie bei den Schultern und blickte ihr unverwandt ins Gesicht.
»Wie lange willst du mich noch bestrafen?«
Vivian hob die Schultern. »Sei nicht albern! Ich will einfach nichts mit dir zu tun haben. Oder du schwörst auf der Stelle, dass jedes Wort, das Matui Hone Heke zu uns spricht, unter uns bleibt und nicht als reißerischer Artikel im Heraldlandet.«
Fred stöhnte genervt auf. Dann hob er zwei Finger und deklamierte übertrieben. »Hiermit schwöre ich, dass ich kein Wort von der Geschichte des alten Maori je für meine Arbeit benutzen werde.«
Vivian starrte ihn ungläubig an. »Das heißt, du verzichtest auf deinen Artikel über Matui Hone Heke?«
»Schweren Herzens zwar, weil es eine Geschichte ist, die ganz nach dem Geschmack unserer Leser wäre, aber ich tue es für dich.«
»Dir ist also gleichgültig, dass er dir vertraut?«
»Nein, natürlich nicht, aber die Aussicht, dass du mich für einen unehrenhaften Mann hältst, schreckt mich mehr. Mir ist wichtig, dass du mir vertraust.«
»Und du wirst wirklich kein Wort in deiner Zeitung bringen?«
»Keine Zeile!«
Übermütig flog Vivian in seine Arme und ließ sich von ihm ein paarmal im Kreis herumschleudern.
»Hey, lass mich runter! Mir ist schwindelig«, bat sie lachend, woraufhin er sie vorsichtig auf dem Boden absetzte. Ihre Blicke trafen sich, und plötzlich hatte Vivian das Gefühl, als ziehe es ihr die Beine weg. Er sah sie mit einem gefühlvollen Ausdruck an, der sie erzittern ließ. Ich glaube, ich bin in ihn verliebt, schoss es ihr durch den Kopf, während sich sein Mund ihren Lippen näherte. Er küsste sie leidenschaftlich, und Vivian erwiderte seinen Kuss nicht minder feurig. Jetzt, da er geschworen hatte, nichts von der Geschichte des alten Maori nach außen dringen zu lassen. Sofort stellte sich wieder jenes Wohlbefinden ein, das sie vom ersten Augenblick an in seiner Gegenwart empfunden hatte. Und mehr noch, ihr klopfte das Herz zum Zerbersten.
Hand in Hand machten sie sich auf den Rückweg. Im Gegensatz zum Hinweg blickte Vivian nach links und rechts und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Riesige Kauribäume säumten die Strecke, und Farne aller Arten wucherten am Wegesrand.
»Es ist unglaublich schön«, schwärmte sie, machte sich von seiner Hand los und hüpfte hinein in das Grün der Buschlandschaft.
Fred folgte ihr und nahm sie in einem Meer von grünen Schlingpflanzen in die Arme.
»Gefällt dir dein Land?«, fragte er verschmitzt.
Vivian lachte aus voller Kehle. »Es ist bezaubernd!« Doch dann wandte sie den Kopf. Hinter sich hatte sie ein Rauschen vernommen.
»Ein Wasserfall! Komm!«, rief sie übermütig. »Lass uns schwimmen!« Ehe er sich’s versah, war sie zu dem grün schillernden See gerannt, in den sich der Wasserfall tosend ergoss.
Ohne zu zögern, riss sie sich die Kleidung vom Leib und sprang in das eiskalte Wasser. Fred tat es ihr gleich. Wie die Fische schwammen sie durch das grüne Nass.
Als Fred sie im Wasser umarmte, erschrak sie, weil sie sich bewusst wurde, dass sie beide nackt waren. Erschrocken befreite sie sich aus der Umklammerung und schwamm zum Ufer zurück. Dort zog sie sich rasch an. Insgeheim schalt sie sich, dass sie so leichtsinnig gewesen war. Wie schnell konnte es ihr wie ihrer Mutter ergehen. Sie bekam ein Kind, und der Vater verschwand spurlos. Eine schreckliche Vorstellung! Nein, das war das Letzte, was Vivian sich für ihr Leben wünschte.
Als Fred nach einer ganzen Weile nackt, wie Gott ihn geschaffen hatte, aus dem Wasser stieg, saß Vivian bereits fertig angezogen am Ufer. Ihr entging nicht, wie gut er gebaut war. Ein Mann zum Verlieben, keine Frage, aber sie war nicht dumm. Jedenfalls nicht naiv genug, sich in ein Abenteuer mit diesem Mann zu stürzen, der in festen Händen war.
»Es war doch gar nicht kalt«, bemerkte er fröhlich mit einem Blick auf Vivian, die die Arme abwehrend vor der Brust gekreuzt hatte. Dann legte er sich so, wie er aus dem Wasser gekommen war, an jene Stelle am Ufer, an die ein wärmender Sonnenstrahl seinen Weg durch den Busch gefunden hatte.
Vivian versuchte, nicht zu ihm hinüberzublinzeln. Sie musste aufpassen, damit sie ihr Herz nicht rettungslos an ihn verlor. Du bist kein Mädchen zum Heiraten, hämmerte es in ihrem Kopf. Sie konnte sich nicht
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