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Der Schwur des Maori-Mädchens

Der Schwur des Maori-Mädchens

Titel: Der Schwur des Maori-Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
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Sollten sie ihn einfach dort sitzen lassen und gehen? Ihr Blick traf sich mit dem von Fred.
      »Er schläft tief und fest«, flüsterte sie.
      »Wir bringen ihn in sein Bett«, bemerkte Fred leise. »Ich sehe mal nach, wo sein Schlafzimmer ist.« Er stand auf und verließ die Küche.
      Vivian musterte den alten Maori. Plötzlich verzog er stöhnend das Gesicht. Er träumt, mutmaßte sie, und als sie ihm beruhigend über das dichte graue Haar strich, riss er die Augen auf.
      »Verzeih mir, kleine Maggy, bitte verzeih mir«, murmelte er, bevor ihm die Augen abermals zufielen.
      Zu Vivians großer Erleichterung kehrte in diesem Augenblick Fred zurück. Sie hatte ihn erst gar nicht kommen hören, denn er ging rücksichtsvoll auf Zehenspitzen. »Matui besitzt kein Schlafzimmer. Er nächtigt auf einer Matte am Boden«, sagte er leise, damit der alte Mann nicht aufwachte. Dann packte er mit beiden Händen zu und schaffte es, den Maori sanft vom Sessel zu heben.
      »Ist er nicht zu schwer?«, fragte Vivian besorgt.
      »Er ist leicht wie eine Feder«, erwiderte Fred, dafür aber schnaufte er doch recht laut. Mit Matui Hone Heke auf den Armen setzte er vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Vivian ging voran und öffnete ihm die Türen.
      Immer noch schwer atmend ließ Fred den Maori auf die Matte sinken. Als er dort lag, wickelte Vivian ihn liebevoll in eine Decke.
      »Und nun?«, fragte Fred unvermittelt.
      »Nun kehre ich ins Hotel zurück«, erwiderte sie scharf. »Und du fängst am besten an, deinen Artikel zu schreiben«, fügte sie nicht minder spitz hinzu.
      Ein lautes Stöhnen vom Lager des alten Mannes hielt Fred von einer passenden Erwiderung ab, und er beugte sich zu Matui Hone Heke hinunter.
      »Es ist alles gut. Sie sind müde gewesen. Schlafen Sie sich aus. Wir kommen morgen wieder.«
      Der Maori öffnete die Augen und blickte Fred verständnislos an. »Wer bist du?«, fragte er erschrocken.
      »Ich ... ich bin der Sohn von Bischof Newman«, entgegnete der Reporter verunsichert.
      »Peter Newmans Sohn? Oh, was für ein dummer Bengel, dieser Peter«, schimpfte der Alte und fügte versöhnlich hinzu: »Aber du bist ein guter Junge. Du bist mutig, du kommst nach Lily.«
      Fred warf Vivian, die das Ganze stumm beobachtet hatte, einen hilflosen Blick zu.
      Sie verstand und hockte sich ebenfalls neben das Lager des alten Maori. Mit sanfter Stimme bat sie: »Erzählen Sie uns, warum Sie kein Bildnis vom Reverend geschnitzt haben, sondern das von Lily.«
      Über das Gesicht des Alten huschte ein verklärtes Lächeln, als er Vivian erblickte.
      »Maggy, liebste Maggy, meine kleine Schwester, du bist es. Ach, dass du wieder bei uns bist, das ist ein Geschenk der Ahnen. Ich danke dem Herrn, aber auch Rangi und Papa, unseren Göttern, ihren Göttern ...«
      Vivian schüttelte erschrocken den Kopf. »Ich bin nicht Maggy, sondern Vivian Taylor aus London.«
      Matuis Gesicht verfinsterte sich, und er setzte sich ächzend auf. Dann wanderte sein Blick eine Zeit lang stumm zwischen seinen Besuchern hin und her. Der Alte schien nachzudenken.
      »Ach ja, genau, ich erinnere mich wieder. Ich habe von ihr geträumt und von Peter, und deshalb war ich noch nicht wieder ganz in dieser Welt. Haltet mich nicht für verrückt, denn jetzt weiß ich wieder alles. Ihr beiden, ihr wollt die wahre Geschichte hören.« Er hielt inne und musterte Fred mit durchdringendem Blick. »Du bist der junge Newman, der Zeitungsmann, der versprochen hat, kein Wort von dem, was ich euch anvertraue, zu veröffentlichen. Denn es geht außerhalb der Familie keinen etwas an, warum ich ihm kein Denkmal setzen kann. Er hat Schuld auf sich geladen. Schreckliche Schuld. Das schreibst du doch nicht, nicht wahr?«
      »Nein, natürlich nicht!«, entgegnete Fred entschieden.
      »Bestimmt nichts, was dem Ruf der Familie Newman schaden könnte«, rutschte es Vivian in spitzem Ton heraus, und sie war froh, dass Matui ihre bissige Bemerkung überhörte oder zumindest so tat, als hätte er ihre Worte nicht vernommen.
      »Gut, dann besucht mich morgen wieder, wenn ihr mehr wissen wollt. Wollt ihr?«
      »Und wie!«, entgegnete Vivian begeistert.
      Das brachte ihr einen prüfenden Blick des Alten ein. »Und du bist wirklich nicht mit dem Bischof verwandt?«
      Vivian war wieder drauf und dran, ihm die Wahrheit zu sagen, als sich Fred stammelnd einmischte. »Ich sagte doch bereits - sie ist eine entfernte, eine entfernte

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