Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schwur des Maori-Mädchens

Der Schwur des Maori-Mädchens

Titel: Der Schwur des Maori-Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
Vom Netzwerk:
gut, aber ich habe ihn zu Hause getrunken. Nach drüben hätte ich mich bei dem Wetter nicht gewagt.«
      »Bruder Jean, das habe ich mir doch gedacht, dass du nur mal wieder Unfrieden stiften willst. Genau, bei dem Wetter gestern hätte sich doch kein vernünftiger Mensch über die Bucht gewagt, und schon gar nicht der Junge.« Walter warf seinem Ziehsohn einen ermunternden Blick zu.
      »Du willst doch nischt beaupten, dass isch lüge, oder?«
      Der Missionar hob die Schultern. »Ich will gar nichts behaupten außer der Tatsache, dass du gestern weder meinen Jungen noch Mister Pringle gesehen haben kannst.«
      »Ach nein? Und wenn isch dir sage, dass dein Junge mit bloße Füße in eine Maori-Rock und eine bunte Umang durch die Straße wankte, als wäre er betrunken?«
      Walter Carrington lachte laut auf. Jack Pringle fiel dröhnend in das Gelächter ein.
      »Bruder Jean, du hast eine blühende Fantasie. Mein Junge in der Kleidung eines Maori! Dass ich nicht lache. Sieh nur dort zum Stuhl. Dort liegt sein Anzug ...«
      Bruder Jean war knallrot angelaufen. »Isch lasse misch doch von eusch nischt verspotten.« Mit einem Satz war er an einer Kleidertruhe, riss den Deckel hoch, zerrte wie besessen alles heraus und schleuderte es auf den Boden.
      Matthew erstarrte. Was, wenn der fanatische Bruder einen Blick unter das Bett riskieren würde? Er musste verhindern, dass er weiterhin in seinem Zimmer herumschnüffelte.
      »Vater«, stöhnte er auf. »Vater, ich habe Schmerzen auf der Brust, und ich glaube, ich habe Fieber. Ich brauche ganz dringend meine Ruhe. Oder besser noch - ihr schickt nach dem Doktor.«
      Walter drehte sich erschrocken zu seinem Ziehsohn um und wandte sich dann wütend Bruder Jean zu. »Es reicht. Du verschwindest jetzt, und zwar sofort.« Walter deutete zur Tür.
      »Und wenn du ein falsches Wort über den Jungen oder mich in Kororareka verbreitest, vergesse ich mich«, fügte Jack Pringle hinzu und fuchtelte drohend mit der Faust in der Luft herum.
      »Isch kriege eusch noch!«, zischte der katholische Missionar und verließ schnaufend das Zimmer.
      Matthew ließ sich erleichtert in die Kissen zurücksinken und wollte dem Vater gerade sagen, dass er den Arzt doch nicht benötige, als ihn ein neuerlicher, nicht enden wollender Hustenanfall schüttelte.
      Erschrocken legte Walter seinem Ziehsohn die Hand auf die Stirn. »Das brennt ja wie Feuer!«, rief er besorgt aus.
      »Ich eile und sage dem Doktor Bescheid«, bot sich Jack Pringle eifrig an und eilte zur Tür. Dort wandte er sich noch einmal um und zwinkerte Matthew verschwörerisch zu.
      Walter rief laut nach seiner Frau, die beim Anblick ihres blassen Ziehsohnes erschrocken zusammenzuckte. »O weh!«, jammerte sie und rief ihrerseits nach Maggy.
      Als das Mädchen herbeigeeilt kam, schickte ihre Ziehmutter sie sogleich nach feuchten Tüchern.
      Matthew spürte, wie er immer schwächer wurde. Was eben noch Spiel gewesen war, wurde plötzlich tödlicher Ernst. Es ging ihm von Minute zu Minute schlechter. War das die Strafe dafür, dass er seinen Vater so gnadenlos belogen hatte? Die feuchten Tücher auf seiner Stirn verstärkten das Frösteln nur noch mehr. Er hatte das Gefühl, jämmerlich erfrieren zu müssen.
      Ganz verschwommen sah er schließlich das besorgte Gesicht des Arztes auftauchen, der seine Brust mit einem merkwürdigen Gerät abhörte. Schemenhaft nahm er auch das Gesicht seiner Schwester wahr. Sie sah schrecklich aus. War sie etwa auch krank? Er musste dem Arzt unbedingt mitteilen, dass er Maggy ebenfalls untersuchen solle, doch er brachte keinen verständlichen Ton mehr heraus. Nur ein entsetzliches Stöhnen, weil seine Brust so sehr schmerzte, dass er kaum noch Luft bekam. Plötzlich wurde sein Verdacht zur Gewissheit: Der Herr bestrafte ihn für den Ungehorsam und dass er die Axt gegen die Fahne geführt hatte. Das ist ein Frevel, ich hätte es nicht tun dürfen, durchfuhr es ihn eiskalt. Wenn ich je wieder gesund werde, dann möchte ich ein braver Sohn sein, ein Sohn, auf den mein Vater stolz sein kann, ein guter Pakeha ...
     
     

Mount Parahaki/Whangarei, Februar 1920
     
    Vivian hatte den Rest von Matui Hone Hekes Erzählung nur noch mit Mühe verstehen können. Der alte Mann war immer leiser geworden, die Sprache hatte zunehmend verwaschener geklungen, und schließlich war er mitten im Satz in seinem Sessel eingeschlafen. Nun schnarchte er leise vor sich hin.
      Vivian war ratlos.

Weitere Kostenlose Bücher