Der Schwur des Maori-Mädchens
Vivian um und atmete hörbar auf, als sie weder Fred noch seine zukünftige Familie entdeckte.
Ben hatte einen der runden Tische in der Mitte des Saales gewählt und schob Vivian formvollendet den Stuhl hin.
Als der Kellner sie nach ihren Wünschen fragte, war Vivian völlig überfordert.
Ben beugte sich zu ihr herüber und flüsterte: »Das einzig Essbare in unseren Restaurants ist Lamm.«
»Dann nehme ich das Lamm«, erwiderte Vivian, doch dann erstarrte sie. Isabel, Fred und dessen zukünftiger Schwiegervater betraten in diesem Augenblick den Saal. Noch hatten die drei sie nicht erblickt, doch als sie auf den Nachbartisch zusteuerten, erkannte Mister Morrison Vivian und begrüßte sie überschwänglich. »Ach, deshalb haben Sie uns einen Korb gegeben! Das verstehe ich doch.«
Vivian überhörte geflissentlich den leisen Spott und versuchte, alle Anwesenden einander vorzustellen.
»Das ist Mister Morrison vom Herald aus Auckland, das ist Mister ...« Vivian sah Ben fragend an. Der aber war schon eifrig aufgesprungen und reichte dem Zeitungsmann aus Auckland die Hand. »Sie haben auch in Wanganui einen Ruf wie Donnerhall ...«
Mister Morrison sah Ben verwirrt an, doch der lachte. »Ach, das ist ein deutscher Ausdruck, wenn jemandem sein Ruf vorauseilt. Mein Name ist Schneider, Ben Schneider. Die Familie meines Vaters stammt aus Deutschland ...«
»Und Ihr Herr Vater ist Verleger des Chronicle. Ich weiß.«
»Oh, da haben Sie mich aber eiskalt erwischt«, erwiderte Ben verschmitzt.
»Und warum haben Sie uns vorgegaukelt, dass Sie zufällig hier vor Ort sind?«, mischte sich Fred ärgerlich ein.
Ben lächelte hintergründig. »Erzählen Sie mir denn alles? Zum Beispiel, wo der alte Maori wohnt, den Sie heute besucht haben, und was Sie dort herausgefunden haben. Lange genug waren Sie ja in seinem Haus.«
»Sie haben uns doch nicht etwa beobachtet?«, fragte Fred. Seine Stimme vibrierte vor Empörung.
»Leider nur aus der Ferne«, entgegnete Ben offen und mit entwaffnendem Charme. »Natürlich, Mister Newman, habe ich mich an Ihre Fersen beziehungsweise an die Ihrer reizenden Mitarbeiterin geheftet. Und selbstverständlich habe ich inzwischen herausgefunden, dass Sie der Sohn des Aucklander Bischofs sind und Walter Carrington offenbar Ihr Ururgroßvater ...« Er lachte und fuhr mit spöttischem Unterton fort: »Tun Sie doch nicht so heilig! Das ist Ihr Beruf genau wie der meine. Und ich hätte ihn übrigens verfehlt, wenn ich das alles nicht recherchiert hätte. Sie waren länger als einen halben Tag dort oben auf dem Berg bei dem Alten. Da wird man stutzig. Natürlich habe ich, nachdem Sie gegangen waren, auch mein Glück versucht, aber mich hat der alte Matui eiskalt abgefertigt. Dabei machte er übrigens einen überaus klaren und entschiedenen Eindruck. Wie haben Sie das bloß geschafft? Tja, und wofür ich auch noch keine plausible Erklärung gefunden habe, ist die Tatsache, dass Sie heute Morgen vor der reizenden Miss Taylor dort eingetroffen sind. Sie kamen nicht gemeinsam. Warum? Zwistigkeiten?«
Vivian war während Bens Worten rot angelaufen, doch Mister Morrison pfiff anerkennend durch die Zähne. »Hervorragende Arbeit, junger Mann. Wollen Sie nicht zum Herald wechseln?«
»Es gäbe einen triftigen Grund, in den Norden zu ziehen«, bemerkte Ben, während er Vivian zulächelte, doch die wandte empört den Blick ab.
»Ich befürchte, Sie verwechseln Skrupellosigkeit mit guter Recherchearbeit, Mister Schneider!«, zischte Fred.
Isabel maß ihren Verlobten mit einem vernichtenden Blick.
»Einen halben Tag lang warst du also bei dem alten Maori, ja? Und wieso, mein Lieber, hast du Vater und mir erzählt, es sei nur ein kurzer Besuch gewesen? Nicht der Rede wert? Warum hast du uns den Bären aufgebunden, es sei nichts aus dem alten Maori herauszukriegen gewesen? Und das, was er gesagt habe, sei zusammenhangloses, wirres Zeug gewesen? Wir sollten schon mal zurück nach Auckland fahren, du würdest hier oben noch nach einer anderen, spannenderen Geschichte suchen?«
Die Köpfe sämtlicher Restaurantgäste wandten sich in ihre Richtung. So laut war Isabels überschnappende Stimme geworden.
»Das muss ich aber auch sagen«, bemerkte Ben genüsslich. »Das können Sie Ihrer Großmutter erzählen. Kein Schreiber Ihres Formates verschwendet seine Zeit auf solche Weise. Wollen Sie ganz groß rauskommen? Das könnte ich sogar verstehen. Aber
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