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Der Schwur des Maori-Mädchens

Der Schwur des Maori-Mädchens

Titel: Der Schwur des Maori-Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
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auch nur einen einzigen Tag im Haus des Bischofs aushalten? Ihre spontane Antwort auf diese Frage war eindeutig. Nein, keinen einzigen Tag würde sie ohne Fred dort verbringen. Ich werde gar nicht erst in sein Haus zurückkehren, beschloss sie schließlich. Ich gehe in Auckland heimlich an Bord eines Schiffes, das mich zurück nach England bringt. Ich habe noch genügend Geld für eine Fahrkarte. Aber erst würde sie sich Matui Hone Hekes Geschichte anhören. Sie hoffte sehnsüchtig, dass der alte Maori auch das Geheimnis ihrer Andersartigkeit lüften würde. Denn wenn sie ganz ehrlich war, hatte sie den starken Verdacht, dass jenes dunkle Blut, das in ihr floss, Maori-Blut war. Nur, wo kam es her? Sie betete inständig, dass Matui Hone Heke ihr früher oder später eine befriedigende Antwort auf diese Frage geben werde.
      Als es am frühen Abend an ihre Zimmertür klopfte, wollte sie erst so tun, als wäre sie nicht da, doch der alte John von der Rezeption ließ nicht locker.
      »Miss Taylor, Ihr Besuch ist da.«
      Besuch? Vivian brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, dass es sich nur um Ben handeln konnte. Schließlich hatte sie ihn am gestrigen Tag auf diesen Abend vertröstet. Sie überlegte kurz. Sollte sie mit ihm ausgehen oder sich weiterhin tot stellen?
      Noch einmal klopfte es an ihrer Tür.
      »Sagen Sie ihm, ich bin in einer Viertelstunde unten!«, rief sie gequält und sprang rasch vom Bett auf. Nach einer flüchtigen Wäsche schlüpfte sie in ihr schönstes Kleid, jenes, das der Bischof ihr am liebsten vom Leib geprügelt hätte. Ein Blick in den Spiegel zeigte ihr, dass das Haar gut saß und sie längst nicht mehr so erschöpft wirkte wie bei ihrer Ankunft in Auckland.
      Als sie Ben an der Rezeption warten sah, musste sie zugeben, dass er ein außerordentlich attraktiver Mann war. Er war groß, kräftig gebaut, aber nicht dick, nur nicht so ein schlaksiger Kerl wie Fred. Fred? Warum verglich sie Ben gleich mit ihm? Sie versuchte den Gedanken an Frederik zu verscheuchen und sich ganz auf ihren Verehrer zu konzentrieren. Er hat ein interessantes Gesicht, stellte sie fest, als er sie jetzt erwartungsvoll anlächelte. Und ein sympathisches Lächeln.
      »Guten Abend, Miss Taylor, ich habe schon befürchtet, Sie hätten mich vergessen.«
      Ihr lag die Antwort auf der Zunge, dass genau dies den Tatsachen entspreche, aber sie wollte ihn nicht kränken. Er reichte ihr seinen Arm.
      »Ich hoffe, es kommt nicht gleich Ihr besitzergreifender Chef und entführt Sie wieder«, bemerkte er grinsend, während sie sich bei ihm einhakte.
      »Und wenn schon. Ich würde mich nicht von ihm entführen lassen.«
      »Gut, dann lassen Sie sich aber bitte von mir entführen. Ich habe nach einem Restaurant gesucht, das Ihren Londoner Ansprüchen gerecht werden könnte, aber das ist mir vermutlich nicht gelungen.«
      »Trösten Sie sich. Die Male, die ich in London auswärts gegessen habe, kann ich an einer Hand abzählen. Und das auch nur, weil die Eltern meiner Freundin mich mitgenommen haben ...« Vivian stockte. Was wohl Janes Eltern sagen würden, wenn ich demnächst unangemeldet vor deren Londoner Tür stehe ?, durchfuhr es sie, und sie nahm sich vor, ihnen vor ihrer Abreise aus Auckland zu telegrafieren.
      »Gut, dann werden Sie nicht allzu enttäuscht sein, wenn ich Sie nun in das erste Haus am Platz führe.«
      Ben ging gezielt an der Rezeption vorbei über einen dunklen Flur mit verschlissenen Teppichen.
      »Ist es etwa das Hotelrestaurant?«, rutschte es Vivian erschrocken heraus, denn sie befürchtete, dass Fred mit seiner Braut und ihrem Vater auch dort waren. »Und es gibt wirklich nichts anderes?«
      Ben lächelte. »Nichts, wohin ich Sie guten Gewissens mitnehmen möchte.« Er blieb stehen und blickte sie unverwandt an. »Befürchten Sie, dass Ihr Chef uns zusammen sehen könnte?«
      »Natürlich nicht. Ich bin ihm doch keine Rechenschaft schuldig«, erwiderte sie trotzig.
      »Gut, dann kommen Sie. Hinein ins Vergnügen!« Ben hielt ihr eine hölzerne Schwingtür auf. Dahinter befand sich ein einfaches Lokal, dessen Tische in eine Wolke von Zigaretten- und Zigarrenrauch eingehüllt waren.
      Vivian musste sofort husten, aber sie folgte Ben in einen Hinterraum, der weniger verraucht und ungleich größer und prächtiger war. Auch gab es hier im Gegensatz zu der Kneipe weiße Tischdecken, und es hingen zwei Kronleuchter von der hölzernen Decke herab.
      Prüfend schaute sich

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