Der Schwur des Maori-Mädchens
Carrington stehen? Wenn ich Matthew nicht augenblicklich zum Fest zurückbringe, wird sie sehr böse.«
»Aber Sie sind doch der Herr und Mann. Sie entscheiden, nicht die da!«, spuckte Waaka verächtlich aus.
»Nein, mein lieber Junge, du irrst. Draußen entscheiden bei uns die Männer, aber zu Hause die Frauen.«
»Das ist bei uns nicht anders«, lachte Tiaki, doch dann wurde er wieder ernst. »Aber können Sie nicht eine Ausnahme machen? Es ist doch so langweilig für Matui.«
Walter lächelte nicht mehr. Im Gegenteil, sein Gesicht hatte sich in dem Augenblick verfinstert, als der junge Mann Matthew bei seinem Maori-Namen genannt hatte.
»Hat er recht? Ist dir die Hochzeit deines Bruders langweilig, Matthew?«, fragte er in scharfem Ton.
Matthew schüttelte heftig den Kopf. »Nein, nein, ich komme mit dir. Wir ... wir gehen ein anderes Mal zum Fischen«, stammelte er und wandte sich zum Gehen. Er rannte so flink den Hügel hinauf, dass Walter ihm kaum folgen konnte.
Als die beiden schnaufend oben angekommen waren, empfing Emily sie neugierig. »Was wollten diese schrecklichen Burschen von dir?«, fragte sie.
»Sie wollten ihn zum Fischen abholen«, erklärte Walter beschwichtigend.
»An der Hochzeit deines Bruders! Das ist ungehörig. Nun lasst uns schnell zurückkehren. Es fällt bestimmt auf, dass die ganze Familie verschwunden ist.«
»Ach, Mutter, du hast ja recht. Deshalb bin ich ja auch nicht mitgegangen. Aber sag mal, wo steckt eigentlich Maggy? Ich habe sie den Nachmittag über vermisst.« Bei diesen Worten spürte Matthew seine Ohren rot werden, denn das war eine Lüge. Er hatte die Abwesenheit seiner Schwester erst vor etwa einer halben Stunde bemerkt, als seine beiden Freunde ums Haus herumgeschlichen waren. Da hatte er Maggy sagen wollen, dass er für einen Augenblick frische Luft schnappen würde, aber keiner der Gäste hatte sie gesehen.
»Sie liegt krank in ihrem Bett«, erwiderte Emily knapp.
Matthew sah seine Ziehmutter sichtlich erschrocken an. »Was hat sie denn? Ist es schlimm?«
»Nein, gar nicht, sie hat sich ein bisschen den Magen verdorben. Kein Wunder bei den Mengen, die sie in letzter Zeit verdrückt«, erwiderte Emily scheinbar unbeschwert.
»Ich muss sofort zu ihr. Sie wollte mich gestern unbedingt sprechen, aber ich hatte keine Zeit für sie. Das arme Ding.«
»Das verbiete ich dir«, schnaubte Emily. »Sie braucht ihren Schlaf, und du musst jetzt wieder dorthinein!«
Sie waren in der Diele des Hauses angekommen, und Emily deutete auf die Tür des Wohnzimmers, durch die lautes Geplauder und Gelächter herausdrangen.
Matthew zögerte, doch dann machte er einen Schritt auf die Treppe zu. »Mutter, sie ist meine kleine Schwester. Und ich kann nicht fröhlich weiterfeiern, ohne mich persönlich von ihrem Zustand überzeugt zu haben. Das musst du verstehen.«
Emily aber baute sich wie eine Furie vor ihrem Stiefsohn auf. »Dein Platz ist auf dem Fest«, zischelte sie.
Matthew sah sie entgeistert an, dann richtete er den Blick auf seinen Ziehvater, der einen hilflosen Eindruck machte.
»Vater, bitte, hilf mir doch! Ich will nur kurz nach Maggy sehen. Das kann sie mir doch nicht verbieten ...«
»Das kann ich sehr wohl...«, schimpfte Emily.
»Liebes, nun lass ihn doch nach ihr schauen!«, presste Walter schließlich hervor. Doch statt nachzugeben, schrie Emily »Nein, nein, nein!« und stampfte zur Bekräftigung mit dem Fuß auf.
Matthew aber schlüpfte unter ihren ausgebreiteten Armen hindurch und eilte nach oben. Er hörte nur noch, wie seine Mutter laut schluchzend das Haus verließ und der Vater ihr folgte.
Vor Sorge um seine Schwester vergaß Matthew sogar anzuklopfen, sondern stürmte einfach in ihr Zimmer.
Als er sie mit rot verweinten Augen im Bett liegen sah, durchfuhr ihn ein eisiger Schrecken. Er stürzte förmlich auf sie zu und ergriff ihre Hand.
»Maggy, Kleine, was ist mit dir?«
Sie aber wandte ihm nicht einmal das Gesicht zu, sondern starrte weiterhin zur Decke hinauf.
»Bitte, sprich mit mir!«
Zögernd drehte sie sich zu ihm um. Der Anblick ihrer traurigen Augen wollte ihm schier das Herz zerreißen.
»Ich habe mir ein wenig den Magen verdorben«, raunte sie.
»Aber du hast doch geweint. Ich sehe es dir an. Wer hat dir etwas angetan?«
»Ich bin so enttäuscht, dass ich nicht mit euch feiern kann«, erwiderte sie heiser.
Matthew spürte bei
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