Der Schwur des Maori-Mädchens
Sie unterbrach sich, weil ihr Tränen in die Augen schossen. Schluchzend sprach sie weiter. »Wir werden sie auf Dauer in Auckland unterbringen, aber es lässt sich nicht mehr lange verbergen.«
Emily hatte vor Aufregung rote Flecken im Gesicht bekommen, doch Bella legte ihr beschwichtigend die Hand auf den Arm. »Schon gut, Emily, natürlich helfe ich Ihnen. Ich bringe Maggy erst einmal diskret in der Mission unter. Sie müssen mir auch Ihre Ripeka dafür nicht ausleihen. Wenn ich Ihnen helfen kann, dann will ich das ohne Gegenleistung tun. Ich mag das Mädchen nämlich wirklich. Ganz ehrlich, ich tue es für Maggy. Für sie ist es wichtig, dass sie nicht ins Gerede kommt.«
»Aber...«
Bella Morton winkte müde ab. »Sie sind mir keine Erklärung schuldig. Ich weiß, was das in Ihrer Stellung bedeutet. Gerade jetzt, da die Hobsens zu Ihren Verwandten gehören ...«
Wenn sie nur annähernd ahnen würde, was wirklich geschehen ist, schoss es Emily durch den Kopf. »Bella, bitte, nehmen Sie auch Ripeka mit! Es ist doch auch, damit Maggy nicht das Gefühl hat, dass sie ganz allein auf der Welt ist. Sie hängt an Ripeka, nur darf die unter keinen Umständen von der Schwangerschaft erfahren. Je weniger davon wissen, desto besser. Es ist ja auch nur für ein paar Wochen, bis ich einen Platz in Auckland gefunden habe, wo ich das arme Kind unterbringen kann. Wenn Sie bitte nur kurz warten würden, bis die beiden reisefertig sind.«
»Ich warte auf die beiden an der Kutsche«, entgegnete Bella Morton kühl.
Emily atmete erleichtert auf und wollte gerade ins Haus zurückeilen, als die füllige Misses Hobsen schwitzend vor die Tür trat. Sie musterte Emily abschätzig. »Gefällt dir dein eigenes Fest nicht? Wir hätten wohl doch lieber bei uns in Kororareka feiern sollen«, japste sie. Ihr Atem ging schwer. »Ich hätte mich jedenfalls nicht davongeschlichen.«
Emily war weniger von Amandas Worten getroffen als vielmehr von der Aussicht, dass die Matrone hier draußen immer noch nach Luft schnappen würde, wenn sie gleich Ripeka und Maggy aus dem Haus zu schmuggeln versuchte.
»Nimm dich in Acht vor dem Wind«, bemerkte sie wie beiläufig. »So verschwitzt, wie du bist, kannst du dich leicht verkühlen.«
Emily atmete erleichtert auf, als Amanda, die eine panische Angst vor Krankheiten hatte, wortlos davonstob und im Haus verschwand.
Die Freude verging ihr allerdings sofort wieder, während sie sich auf den Weg zur Küche machte. Was würde Ripeka sagen, wenn sie sie einfach fortschickte? Das würde ihr doch sicher merkwürdig Vorkommen. Sollte sie ihr auch die Wahrheit sagen? Nein, sie würde sie nach Paihia zurückbeordern, bevor Maggys Schwangerschaft ruchbar wurde. Jeder Mitwisser stellte eine Gefahr dar.
Die Maori war eifrig damit beschäftigt, das Geschirr abzuwaschen, als Emily zögernd die Küche betrat.
»Missy, entschuldigen Sie, ich komme gleich, um den Kuchen zu servieren«, verkündete sie entschuldigend, bevor Emily überhaupt etwas sagen konnte.
»Nein, du machst alles wunderbar. Ich komme aus einem anderen Grund.«
Ripeka wandte sich erstaunt um. Sie war eine, wie Walter stets zu sagen pflegte, unverwechselbare Maori-Frau. Sie war gedrungen, besaß ausladende Hüften, eine sehr dunkle Hautfarbe und ein unverkennbar polynesisches Gesicht mit einer kurzen Nase und funkelnden braunen Augen. Ihr Haar war kraus, und ihre breiten Lippen wiesen diesen unverwechselbaren prägnant geschwungenen Oberlippenbogen auf.
Emily dachte voller Wehmut an ihre Ziehtochter. Nein, Maggy hat so gar nichts von diesem typischen Erscheinungsbild, schoss es ihr durch den Kopf. Dann räusperte sie sich.
»Ich möchte, dass du rasch ein paar Sachen zusammenpackst und mit Bella Morton zur Te-Waimate-Mission fährst. Sie braucht eine Hausangestellte. Ich leihe dich ihr aus.«
Ripeka sah Emily verblüfft an. »Jetzt? Aber es gibt jede Menge Arbeit, das Fest ist noch nicht zu Ende, ich ...«
»Das lass bitte meine Sorge sein. Kannst du in zehn Minuten mit deinen nötigsten Habseligkeiten vor dem Haus sein?«
»Ja, schon, aber ...«
»Dann tu, was ich dir sage!«
Ripeka sah Emily fassungslos an, doch dann ließ sie den Teller, den sie gerade abwaschen wollte, in das warme Wasser zurückgleiten und verließ die Küche, ohne Emily eines weiteren Blickes zu würdigen.
Sie glaubt, ich bin verrückt, durchfuhr es Emily, aber das sollte ihr jetzt gleichgültig
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