Der Schwur des Maori-Mädchens
stammelte Matthew.
»Wer nicht an meiner Seite kämpft, ist gegen mich. Dich hätte ich gern in der Schar meiner Krieger gewusst«, bemerkte Hone Heke bedauernd, bevor er sich umwandte, zu den Booten eilte und den Befehl zum Rückzug gab.
Matthew stand wie betäubt da und blickte den leise davonschwebenden Kanus fassungslos hinterher. Tränen traten ihm in die Augen. Noch nie in seinem ganzen Leben hatte er sich so geschämt. Er hatte seine Männer im Stich gelassen, um zu vollem, sich von seinem Ziehvater schlagen und als schwarzen Satan beschimpfen zu lassen.
Nun weinte er hemmungslos, denn er besaß kein Zuhause mehr. Zu Walter und Emily wollte er nicht mehr, und zu seinen Maori-Brüdern konnte er nicht mehr zurück.
Wer bin ich?, fragte er sich, während er sich in den kalten Sand fallen ließ. In seiner Not betete er zu Gott, und er verlangte schließlich verzweifelt von ihm eine Antwort auf die Frage, wie er so etwas zulassen könne. Selbst als er in der Ferne lautes Geschrei hörte, kam er nicht auf den Gedanken, in sein Boot zu springen, sondern er blieb regungslos sitzen und versank in Selbstmitleid. Wer war er schon? Ein heimatloser schwarzer Missionarssohn. Er schluchzte laut auf.
Mit einem Mal war er von aufgeregtem Kampfgebrüll umzingelt. Matthew sah auf und erschrak nicht einmal, als er einen Haufen Rotröcke erkannte. Erst als einer von ihnen auf ihn zustürzte und ihn mit den Worten: »Wen haben wir denn da?« grob emporzog, wurde ihm etwas mulmig zumute. Und als ihn etwa ein halbes Dutzend Augenpaare triumphierend anstarrten, begriff er, dass er sich in ernst zu nehmender Gefahr befand. Doch jetzt war es zu spät, aufzuspringen und in sein Boot zu flüchten, denn der Soldat hielt ihn mit eisernem Griff fest.
»Du bist also einer von ihnen? Du warst eben dabei, als der Mast gefällt wurde. Gib es nur zu!«, rief der Rotrock mit schneidender Stimme.
Matthew wollte dies gerade verneinen, als ihn das überheblich blickende Gesicht des sommersprossigen Soldaten zu einer Lüge reizte.
Er nickte mit stolzgeschwellter Brust. »Ich habe den ersten Schlag mit der Axt ausgeführt, damit eure Flagge nicht mehr länger über der Bucht wehen kann«, erklärte er kämpferisch, was ein aufgeregtes Gemurmel der Rotröcke zur Folge hatte, bis einer von ihnen das Wort an sich riss. »Dann bringen wir den Burschen am besten zum Gouverneur und fragen, was wir mit ihm machen sollen, denn der ist gerade zu einem Besuch auf der Victoria eingetroffen. Er will die Häuptlinge zu einem Gespräch zusammenführen. Vielleicht kann uns der Kleine nützlich sein und Hone Heke die Botschaft des Gouverneurs überbringen.«
Unsanft schob er Matthew vor sich her den Maiki hinauf. Den aber störte das nicht. Im Gegenteil. Die Aussicht, als Bote des Gouverneurs zu fungieren, ließ sein Herz höher schlagen. Damit würde er Hone Heke beweisen, dass er kein Feigling war. Oben auf dem Gipfel konnte er einen flüchtigen Seitenblick auf den am Boden liegenden angekohlten Fahnenmast erhaschen. Er grinste triumphierend in sich hinein. Nun hatte er sich doch noch so etwas wie eine Zugehörigkeit erkämpft. Nicht ohne Stolz ließ er sich von den Soldaten durch die Straßen von Russell führen, doch die Freude war von kurzer Dauer, als sich ihnen der rotgesichtige Mister Hobsen in den Weg stellte und aufgeregt mit dem Finger auf Matthew deutete.
»Was hat der Bursche ausgefressen?«
»Er hat die Axt gegen unseren Fahnenmast geführt«, entgegnete der Anführer der Soldaten.
John Hobsen verzog verblüfft das Gesicht, bevor er in gackerndes Gelächter ausbrach. »Der kleine schwarze Teufel? Wer behauptet das?«
»Der Junge hat gestanden, als wir ihn gefangen genommen haben«, erwiderte der Rotrock prahlerisch.
Wieder lachte John Hobsen aus voller Kehle. Der Schnapsgeruch, der ihm nun entgegenwehte, ließ Matthew hastig einen Schritt zurücktreten.
»Und ihr wollt uns beschützen? Da habt ihr euch ja einen schönen Bären aufbinden lassen. Dieser Junge war zurzeit der Tat drüben in Paihia auf der Hochzeit meines Schwiegersohnes. Ich selbst habe neben ihm am Strand gestanden und zu dem brennenden Mast auf der anderen Seite hinübergeblickt. Wie soll er wohl gleichzeitig in Paihia und auf dem Maiki gewesen sein? Kein Wunder, dass ihr den Überfall auf den Flaggenmast nicht habt verhindern können.«
»Aber er hat es uns doch selbst gestanden, als wir ihn am Fuß des Maiki aufgegriffen
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