Der Schwur des Maori-Mädchens
Kraft gelungen war, aufzustehen, ins Ohr: »Du kleiner schwarzer Bastard, so weit kommt es noch, dass ich mich von dir anfassen lasse.«
Matthew spürte, wie ihm die Zornesröte in die Wangen stieg. Er drehte sich auf dem Absatz um und stürzte nach draußen. Als er über die mondbeschienene Bucht nach Russell hinüberblickte, schweiften seine Gedanken wieder zu Hone Heke ab. Ob sie es wirklich noch einmal tun würden? Trotz der großen Schiffe und der Rotröcke, von denen es dort drüben nur so wimmelte? Plötzlich überkam ihn eine unheimliche Sehnsucht nach dem Häuptling und seinen jungen Kriegern. Die Männer, mit denen er heute zusammengesessen hatte, konnten doch niemals seine Familie sein. Sie waren ihm entsetzlich fremd, und er fand es ungerecht, dass diese betrunkenen Kerle ein Recht hatten, ihre Fahne über der Bucht flattern zu lassen.
Während er noch bitterlich bereute, sich nicht bei Anbruch der Dunkelheit fortgeschlichen zu haben, entdeckte er das Feuer hoch oben auf dem Berg. Fasziniert blickte er auf den rotgelben Schein. Klammheimliche Freude erfüllte ihn. Sie haben es gewagt und tatsächlich geschafft, dachte er voller Stolz. Dann zog er übermütig seine Schuhe aus und rannte barfuß zum Anleger hinunter. Er überlegte, ob er nicht einfach eines der Boote besteigen und sofort nach Russell rudern sollte, als hinter ihm laute Schreie und empörte Rufe ertönten. Erschrocken drehte er sich um. Es waren John Hobsen, Henry und einige der anderen Herren der Hochzeitsgesellschaft.
»Er hat es tatsächlich gewagt, dieser blutrünstige Wilde! Wie konnte das bloß geschehen?«, brüllte John außer sich vor Zorn und deutete aufgeregt zur anderen Seite der Bucht. Dann blieb sein Blick an Matthew hängen. »Ja, sieh dir nur an, was deine Leute anrichten!«, zischte er.
»Das sind nicht Matthews Leute, der Junge gehört zu uns«, protestierte Henry lallend.
Matthew kämpfte mit sich. Am liebsten hätte er laut hinausgeschrien, dass er sich sehr wohl wie einer von ihnen fühlte, Hone Heke ihn tama nannte und dass er zutiefst bedauerte, in diesem Augenblick des Triumphes nicht bei seinen Brüdern auf dem Maki zu sein.
Nun kamen auch die Frauen herbeigeeilt. Sie kreischten wild durcheinander.
»Ich habe es doch gewusst. Sie wollen Krieg, dann sollen sie ihn auch haben«, giftete Amanda unüberhörbar. »Wir werden es ihnen schon austreiben, unsere Fahne zu vernichten. Es lebe Königin Victoria!«
John aber drängte seine Familie nun zum schnellen Aufbruch. Er konnte es offenbar kaum erwarten, auf die andere Seite der Bucht in die Nähe des Geschehens zu gelangen. Wie ihm, so ging es auch einigen anderen Gästen, die überstürzt in ihre Boote kletterten und losruderten, als gäbe es dort drüben etwas zu gewinnen.
Es dauerte nicht lange, da standen nur noch June, Henry und Matthew am Steg.
»Wir kommen morgen zu euch!«, rief June ihren Eltern nach, doch da zog Henry sie bereits mit sich fort. »Komm, wir machen jetzt Hochzeitsnacht!«, lallte er.
Matthew schüttelte sich vor Widerwillen. Er wurde den Eindruck nicht los, dass der junge Bräutigam es endlich hinter sich bringen wollte.
Matthews und Junes Blicke trafen sich. In ihren Augen kann ich das Feuer der Liebe erkennen, dachte er und schenkte ihr ein mitleidiges Lächeln. In seinen lese ich nichts.
In einigem Abstand folgte er den jung Verheirateten zum Haus. Ihn genierte das alberne Gekicher der Braut, das über die ganze Bucht zu schallen schien. Doch schon waren seine Gedanken wieder bei Hone Heke. Er hoffte inständig, dass er und seine Männer den Anschlag auf den Fahnenmast unbeschadet überstanden hatten.
Als Matthew wenig später in die Diele trat, wollte er seinen Augen nicht trauen. Emily kam ihm mit einem Tablett voller schmutziger Gläser entgegen. Sie hatte ihr Festkleid gegen ein Hauskleid mit Schürze ausgetauscht. So hatte er seine Mutter noch nie zuvor gesehen. Das waren eigentlich die Arbeiten, die Ripeka zu erledigen pflegte.
Er verkniff sich die neugierige Frage, warum sie nach der Feier aufräumte, und wartete lieber, bis sie in der Küche verschwunden war. Sie hätte sicherlich etwas dagegen, wenn er seiner Schwester zu so später Stunde noch einen Besuch abstattete. Ihn aber hatte gerade eine starke Sehnsucht überkommen, vor dem Schlafengehen noch einmal nach Maggy zu sehen.
Als er leise einen Fuß in ihr dunkles Zimmer setzte, nachdem sie auf sein Klopfen nicht
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