Der Schwur des Piraten
hinabsteigen und ausruhen musste.
Wenige Tage später war Spinn wieder auf den Beinen, was er Kook zu verdanken hatte, der ihn von früh bis spät mit den besten Leckerbissen verwöhnte. Spinn verließ das gemütliche Bett und fing wieder an zu arbeiten. Tagsüber schrubbte er das Deck und nachts hielt er oben auf dem Mastkorb Wache. Wenn sie an einer Insel vorbeikamen, gingen die Piraten an Land und füllten ihre Vorräte an Früchten und frischem Wasser auf.
Fast könnte man sagen, Spinn war glücklich. Wenn da nicht der Schwur gewesen wäre, den er als Kind abgelegt hatte: Er musste seinen Bruder finden. Dieses Versprechen war zu wichtig, als dass er es auch nur für eine Sekunde vergessen konnte.
Dennoch war er gerne auf der Seabelt und genoss die Gesellschaft dieser sympathischen Freibeuter. Er hörte sich O’Fires Ratschläge an, lachte über Keepfits dreckige Witze und amüsierte sich über Kooks Wutanfälle, wenn ein Pirat versuchte, etwas aus der Schiffsküche zu stibitzen. Sogar das Gezanke mit Goldmerry war für Spinn zu einem willkommenen Zeitvertreib geworden. Und zu alledem befand er sich nicht mehr im nasskalten Nebel Englands, sondern genoss die angenehm warmen Gefilde der Karibik.
Ohne jede Vorwarnung zogen Wolken auf. Ein Blitz, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Donnerschlag, kündigte das Unwetter an.
Yellowbeard war an Deck gekommen und erteilte der Mannschaft Befehle. »Holt die Segel ein, Männer! Ich hoffe, ihr könnt tanzen, denn bald wird’s lustig hier. Ihr da hinten, schafft alles, was nicht niet- und nagelfest ist, unter Deck! Wenn was ins Meer fällt, zahlt ihr mir das in Peitschenhieben zurück!«
Spinn rannte aufgeregt auf dem Deck hin und her und trug alles, was er fand, zur nächsten Luke. Dort nahm es ein anderer Pirat entgegen und schaffte es in den Lagerraum.
Ein starker Wind war aufgekommen und zerrte an den Wanten. Die schäumenden Wellen schlugen immer höher gegen das Schiff.
»Verdammt noch mal! Bewegt euch! Und du, Keepfit! Hält man so etwa das Steuerrad? Scher dich weg und lass mich da ran! Soll dich doch der Schlag treffen!« Yellowbeard redete sich regelrecht in Rage. »Na los, ihr Teufel des Meeres, zeigt, was ihr könnt! Wollen wir doch mal sehen, ob ihr es mit einem alten Captain wie mir aufnehmen könnt! Bis jetzt kitzelt ihr mich nur mit dieser leichten Brise. Meine Mutter war weniger sanft, wenn sie mich streichelte.«
Spinn hatte von Anfang an den Eindruck gehabt, Captain Yellowbeard sei etwas verrückt. Jetzt aber war er sich sicher, dass er es tatsächlich mit einem Irrsinnigen zu tun hatte.
Inzwischen regnete es in Strömen. Blitze zuckten durch die Finsternis und verbreiteten ein unheimliches Licht. Meterhohe Wellen versuchten Yellowbeard vom Steuerrad loszureißen.
»Haltet euch an den Seilen fest, Männer!«, schrie er. »Glaubt nicht, dass ich euch rette, wenn Davy Jones euch zu sich holt.«
Erst jetzt wurde Spinn der Ernst der Lage richtig bewusst.
»Komm schon, Junge! Unter Deck!«, rief ihm O’Fire von einer Luke aus zu. »Beeil dich! Oder willst du etwa im Wasser landen?«
Spinn schaute sich um und merkte, dass außer ihm keiner mehr an Deck war. Er hatte sich von Yellowbeard derartig ablenken lassen, dass er nicht bemerkt hatte, wie sich die restliche Mannschaft unter Deck geflüchtet hatte. Er verfluchte den Captain und rannte, so schnell er konnte, zur Luke O’Fires. Doch das Schiff neigte sich gefährlich gen Backbord und schleuderte Spinn hart gegen die Reling. Er konnte sich gerade noch festklammern, um nicht über Bord gerissen zu werden. Völlig durchnässt versuchte er auf allen vieren zur Luke zu kriechen, als eine riesige Welle über das Deck hereinbrach.
»Spinn!«, schrie O’Fire.
Die Wucht der Welle war so stark, dass Spinn für einige Sekunden betäubt die Orientierung verlor. Die Seabelt tanzte wie eine Nussschale auf den Wellen. Spinn klammerte sich an den Großmast und bekam einen schlimmen Hustenanfall. Das Salzwasser brannte ihm wie Feuer in Lunge und Augen. Dann sah er O’Fire und Goldmerry, die ihn von der Luke aus drängten, sich zu beeilen.
Spinn riss sich zusammen und schleppte sich vorwärts. Mit letzter Kraft packte er das Seil, das ihm O’Fire und Goldmerry zugeworfen hatten. Der Schotte zog ihn zusammen mit Keepfit und Kook der rettenden Luke entgegen.
Goldmerry feuerte sie lautstark an. »Kommt schon, Männer! Ihr werdet doch einen so knöchrigen Brocken nicht den Haien überlassen
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