Der Schwur: Schwerter des Zorns 1 (German Edition)
unterliegt einem ewigen Wandel und entsteht immer wieder neu, und als die Schwarzen Hexer aus eurem Volk ›Schwertfutter‹ für ihre dunklen Armeen machten, haben sie eine weit tiefer gehende Veränderung an euch vorgenommen, als ihnen bewusst war. Sie haben die grundlegende Struktur verändert, die euer Wesen ausmacht. Das entsprach zwar genau ihrer Absicht, als sie die Blutrunst unter den Hradani züchteten, aber nun ist es nicht mehr die Blutrunst, die sie euch ursprünglich eingeben wollten.«
Er schwieg. Bahzell kratzte sich stirnrunzelnd an einem Ohr. Er schaute Brandark an, der ebenso verwirrt wirkte, wie er sich fühlte, und richtete seinen Blick wieder auf Tomanâk.
»Verzeih, aber das verstehe ich nicht.«
»Ich weiß.« Tomanâk schaute auf den Pferdedieb und deutete dann auf den Kadaver des Dämon.
»Die Schwarzen Hexer wollten euch und euer Volk zu so etwas wie diesen Dämon machen. Zu rasenden Bestien mit einer unstillbaren Lust zu töten. Eine Zeit lang, eine sehr lange Zeit – nach Maßstäben der Sterblichen – hat die Blutrunst genau das auch aus euch gemacht. Und bewirkt es bei einigen immer noch. Doch was geschieht, wenn du dich freiwillig der Blutrunst hingibst, Bahzell?«
Der Pferdedieb errötete vor Scham, als er sich an die Verführung durch die Macht und die konzentrierte Leidenschaft der Blutrunst erinnerte. Doch Tomanâk schüttelte den Kopf.
»Nein, Bahzell«, sagte er sanft. »Ich weiß, was deiner Meinung nach passiert, doch die Blutrunst macht dich nicht zu einem Mörder, wenn du sie willkommen heißt. Eben weil sie nicht mehr die ›Blutrunst‹ ist.«
Bahzell war verwirrt, Brandark aber hob ruckartig den Kopf.
»Nicht?«, begann der Pferdedieb, und Tomanâk schüttelte erneut sein Haupt.
»Nein, was du empfindest, ist der Blutrunst nur ähnlich. Sie entspringt zwar den Veränderungen, die diese Hexerei in euch gewirkt hat, ist aber dennoch völlig anders. Vielleicht bezeichnet sie dein Volk in den Jahren, die folgen werden, mit einem anderen Namen, nachdem ihr mehr über sie und euch gelernt habt. Verstehst du, die Blutrunst kontrolliert diejenigen, die sie ohne Vorwarnung überkommt, du jedoch kontrollierst sie, wenn du sie rufst. Dadurch wird sie ein Werkzeug, etwas, das du nach deinem Bedürfnis einsetzen kannst, und hört auf, dich einfach nur zu beherrschen.«
Bahzell erstarrte, und Tomanâk nickte, doch als er fortfuhr, schwang eine Warnung in seinen Worten mit.
»Missversteh mich nicht! Selbst kontrolliert bleibt die Blutrunst eine tödliche Gefahr. Wie Zauberei ist es ihre Anwendung, die sie ›gut‹ oder ›böse‹ macht. Ein Mann, der die Blutrunst beschwört, damit sie ihm bei einem Verbrechen hilft, bleibt dennoch ein Verbrecher und ist sogar noch schlimmer als der, den die Blutrunst gegen seinen Willen in Raserei versetzt. Die alte Blutrunst, die die Hexer beschworen, stirbt in deinem Volk allmählich aus und wird bald nur noch eine Erinnerung sein. Bis dahin dauert es freilich noch viele Jahre, und es wird immer Menschen wie Churnazh und Harnak geben, die sich der Zerstörung verschreiben und sie zu diesem Zweck einsetzen. Für die anderen eures Volkes, die – so wie du – lernen, sie zu kontrollieren und zu benutzen, wie du sie heute benutzt hast, Bahzell, wird die Blutrunst jedoch auch eine Gabe werden.«
Bahzell holte tief Luft. Was Tomanâk gesagt hatte, erschien ihm unmöglich. So lange sich die Hradani erinnern konnten, war die Blutrunst ihre größte Schande gewesen, ihr schlimmster Fluch. Wie konnte etwas, das sie so viel gekostet und sie in Monster verwandelt hatte, vor denen die anderen Menschenrassen zurückschreckten, eine Gabe sein?
Noch während er das dachte, erinnerte er sich an die wenigen Male, in denen er die Blutrunst gerufen hatte. Eine schwache Hoffnung keimte in ihm auf. Er war zu beschämt gewesen, zu verängstigt, und hatte sie nur im Kampf gerufen. Dieser Versucher war zu mächtig, als dass er ihn von der Kette ließ, wenn es nicht um sein eigenes Überleben ging. Und anschließend hatte er ihn immer so schnell wie möglich in sein Verlies zurückgezwungen.
Deshalb war ihm auch nie bewusst geworden, dass nicht die Zerstörungskraft der Blutrunst ihn verlockte. Es war die Begeisterung, die Konzentration, das Gefühl, in ihrem Griff alles sein zu können, was er war. Er hatte nie auch nur erwogen, diese Macht und diese Konzentration für etwas anderes als den Krieg einzusetzen. Jetzt schnappte er nach Luft, als ihm
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