Der Schwur: Schwerter des Zorns 1 (German Edition)
ihre Seele brach und in Scherben zerbarst. Und in einem unmessbar kurzen und dennoch endlos scheinenden Moment wurde sie zu etwas anderem.
Zu einem Schlüssel. Einer … Tür zu einem anderen Ort und einem Weg. Zu einem unvorstellbaren Quell der Macht, der Macht von Sharnâ. Diese Erkenntnis hatte Harnak zutiefst erschüttert. Die Wesenheit des Skorpiongottes selbst wohnte der Klinge inne, und er fühlte, wie sie an seiner Seite bebte, lebendig und summend vor Unersättlichkeit, als Tharnatus ihn feierlich damit gürtete. Harnak berührte den Griff und spürte die Gier der Waffe, ihren unerbittlichen Zweck. Diese Klinge lechzte danach, Bahzells Blut und Seele zu trinken, sie flüsterte ihm das Versprechen der Unverwundbarkeit zu, und der Schatten Seiner Macht umhüllte ihn wie eine dunkle, undurchdringliche Rüstung.
Dennoch sah Harnak auch die kältere Seite, die Furcht einflößte. Die Kirche hatte all diese Macht aufgerufen, um Bahzells Vernichtung zu gewährleisten, und trotz seiner zahlreichen Fehler war Harnak nicht so dumm zu glauben, dass sie das getan hätte, wenn es nicht nötig wäre. Er hatte den Dämon gesehen, fühlte die brutale Macht der Vernichtung, die ihn wie eine düstere Aura umgab. Kein Sterblicher konnte sich ihr widersetzen, und dennoch hatte die Kirche die Klinge geschmiedet, die er jetzt trug. Nur für alle Fälle, versicherte ihm Tharnatus. Dennoch bewies die bloße Existenz dieser Waffe, dass die Kirche nicht genau wusste, ob der Dämon Bahzell tatsächlich vernichten konnte. Falls diese Unsicherheit begründet war, und falls Bahzell tatsächlich dieser Ausgeburt Sharnâs widerstehen konnte, würde dann selbst die Macht von Harnaks Schwert ausreichen, ihn zu töten?
Jetzt stand er an Deck und lauschte dem Heulen des Windes in der Takelage und dem Klatschen des Wassers gegen den
Rumpf. Es waren einsame Geräusche, kalte, die die Kälte in seinem Herzen vertieften. Doch ihm blieb keine Wahl. Er hatte sich, wissentlich oder nicht, dieser Aufgabe ausgeliefert, als er zum ersten Mal Sharnâs Tempel betreten und den Schutz und die Macht des Skorpions akzeptiert hatte. Sollte Harnak Ihn enttäuschen, so würde er schon bald die Jungfer, die auf dem Altar gestorben war, um ihr gnädiges Ende beneiden.
Er fröstelte, riss sich jedoch zusammen. Das war nicht der richtige Zeitpunkt für solch betrübliche Gedanken. Sie waren noch vier Tage von Süd-Kastell entfernt, und schon sehr bald würden sie ihre Pferde entladen und sich auf Bahzells Fährte begeben, falls ihn der Dämon nicht bereits getötet hatte.
Harnak von Navahk schloss die Augen und hätte gern darum gebetet, dass der Dämon Erfolg haben möge. Aber nur ein Gott würde ihn jetzt noch erhören, und dieser Gott hatte bereits alles getan, was er vermochte, um diesen Erfolg herbeizuführen. Also holte Harnak nur tief Luft, straffte die Schultern und ging unter Deck, um zu warten.
Süd-Kastell war eine befestigte Stadt und lag in dem Knie, wo der Dunkelwasserfluss in den Speerfluss mündete. Ihre Mauern erhoben sich hoch über die Wasser und wirkten grau und abweisend unter dem winterblauen, wie stählern wirkenden Himmel, als Harnaks Schiff den geschäftigen Ankerplatz anlief, wo große Schiffe mit viereckigen Segeln an ihren Duckdalben lagen, oder sich an den Kais drängten. Auf den Schiffen flatterten die Wimpel der Handelshäuser der Roten Lords, denn auch wenn Süd-Kastell der größte Hafen im Reich des Speeres war, verweigerten die Roten Lords seetüchtigen Schiffen anderer Länder die Weiterfahrt den Speerfluss hinunter. Sie nützten ihre recht einträgliche Kontrolle über den Fluss dazu, den Umschlaghandel der Speermänner zu monopolisieren, und kümmerten sich nicht um den schon seit langem schwelenden Widerstand, den das hervorrief.
Harnaks Flussschoner drängte sich zwischen die Boote und er stand auf dem Vordeck und betrachtete staunend die gewaltige Größe der Stadt und ihre starken Bastionen. Neben Süd-Kastell
wirkte die Stadt Navahk wie das miese Häufchen Elend, das sie war, und ein kalter Schauer überlief ihn, als er daran dachte, wie diese Stadt wohl auf die Ankunft von vierzig Hradani aus dem hohen Norden reagieren mochte.
Seine Sorge erwies sich jedoch als unbegründet, denn Harnaks wortkarger Schiffer verstand sein Handwerk. Harnak hatte nie herausgefunden, was der Mensch eigentlich war. Schmuggler, natürlich, doch angesichts der Brutalität seiner Mannschaft vermutete der Prinz, dass der Mann wohl auch
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