Der Schwur: Schwerter des Zorns 1 (German Edition)
gewalttätigeren Aufgaben nicht abhold war, falls sich die Gelegenheit bot. Jedenfalls hatte ihn die Kirche offenbar sehr gut auf seinen Auftrag eingestimmt. Er steuerte sein Schiff ohne anzuhalten durch das Haupthafenbecken und segelte geschickt durch einen Kanal des Dunkelwasserflusses bis zu einem heruntergekommenen Kai am Südufer des Flusses. Die Lagerhäuser waren genauso baufällig wie die Pier, und sie befanden sich mehr als eine Meile außerhalb von Süd-Kastell. Das allein verriet schon einiges über das Wesen des Handels, der hier abgewickelt wurde, und die säuerlichen Mienen der schwer bewaffneten »Gardisten«, die den Schoner misstrauisch beäugten, bestätigten das nur.
Der Schiffer des Schoners verschwendete keine Zeit. Die Segel waren kaum eingeholt und die Taue festgemacht, als er seine Passagiere bereits an Land drängte. Seine Entschlossenheit, die Mission abzuschließen und sich wieder davonzumachen, war unübersehbar, aber Harnak kam nicht dazu, gereizt darauf zu reagieren, denn auf der Pier wartete bereits jemand auf ihn.
Der Prinz winkte den Befehlshaber seiner Leibgarde zu sich und deutete mit dem Kinn auf das Durcheinander aus Männern und Pferden, das sich unbeholfen an Land wälzte.
»Ruf diese Narren zur Ordnung, Gharnash! Wir wollen keine unnötige Aufmerksamkeit erregen.«
»Jawohl, Hoheit!« Gharnash zögerte, als wollte er erneut fragen, was hier eigentlich wirklich vorging. Der Anführer der Gardisten war ein harter, brutaler und clanloser Mann, der von seinem eigenen Stamm ausgestoßen worden war. Weil er nirgendwo mehr hinkonnte, hatte ihn Harnak in seine Dienste aufgenommen.
Doch selbst wenn er keinen Zufluchtsort mehr besaß, und auch nicht durch alte Loyalitäten gehemmt wurde, war er kein Narr. Er diente Harnak seit über sechs Jahren und kannte den Prinzen viel zu gut, um dessen oberflächliche Erklärung für diese Reise einfach so hinzunehmen. Dass Harnak Bahzell hasste und ihn töten wollte, sicher, das glaubte Gharnash nur zu gern, aber er wusste auch, wie sehr der Prinz den Pferdedieb fürchtete. Dadurch wirkte seine fast schon fieberhafte Beharrlichkeit, Bahzell persönlich zu jagen, höchst unglaubwürdig. Und außerdem war ihm noch etwas Merkwürdiges aufgefallen … an Harnaks neuem Schwert.
Dennoch sagte Gharnash nichts. Sein Prinz hütete manche Geheimnisse, die Gharnash nicht kannte und die er auch lieber nicht erfahren wollte. Und sein Instinkt und seine Erfahrung sagten ihm, dass dies eines davon war.
Harnak sah Gharnash in die Augen und las seine Gedanken deutlicher, als der Mann ahnen konnte, schnaubte verächtlich und kehrte ihm den Rücken zu. Er betrat die Pier mit einer arroganten Zuversicht, die er ganz und gar nicht wirklich fühlte, und der kleine, rot gekleidete Mensch, der ihn offenbar erwartet hatte, verbeugte sich vor ihm.
»Seid gegrüßt, Hoheit. Unser Meister heißt Euch willkommen.«
Harnak erwiderte den Gruß mit einer hochfahrenden, knappen Verbeugung, und sein Mut sank. Wäre alles gut gegangen, hätte der Dämon Bahzell längst ermordet, doch das Gesicht des Mannes verriet keinerlei Freude. Als sich der Mensch wieder aufrichtete, klaffte sein Umhang auseinander und enthüllte ein mit Juwelen besetztes Amulett. Harnak holte scharf Luft. Dieser Mann war Hohepriester und bekleidete in der Kirche einen weit höheren Rang als Tharnatus. Harnak überlief es siedend heiß, als er an seine respektlose Verbeugung dachte.
Der Hohepriester fing seinen Blick auf und ein schwaches, amüsiertes Lächeln umspielte seine Lippen, als er Harnaks Panik wahrnahm. Er unterließ jedoch jeden Kommentar und deutete auf ein nahe gelegenes Lagerhaus.
»Kommt, Eure Hoheit. Wir wollen unsere Angelegenheiten weniger öffentlich diskutieren.«
»Na … Natürlich.« Harnak folgte dem Priester zu einer Tür, die ihm ein Diener aufhielt. Nachdem sie hindurchgegangen waren, schloss der Mann die Tür ab und baute sich davor auf, damit sie ungestört waren. Harnak leckte sich die Lippen.
»Bittet entschuldigt meine scheinbare Respektlosigkeit …«, begann er steif, »aber …«
»Bemüht Euch nicht, Eure Hoheit«, unterbrach ihn der Hohepriester kühl. »Wir dienen beide dem Skorpion, also macht uns der Dienst an Ihm zu Brüdern.«
Harnak bedankte sich mit einem steifen Nicken. Der Mann lächelte wieder. Allerdings lag kein Funken Humor in seinem Lächeln und im Magen des Prinzen bildete sich ein eisiger Knoten.
»Ich kenne natürlich den Grund Eurer
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