Der Schwur: Schwerter des Zorns 1 (German Edition)
sondern waren tatsächlich als Kanalisation gedacht. Bahzell hasste
zwar das Gefühl, eingesperrt zu sein und keinen weiten Blick zu haben, aber diese Stadt strahlte auch etwas Sicheres und Solides aus. Jedenfalls hätte sie es getan, wenn ihn die Menschen, die hier wohnten, nicht so offensichtlich gehasst hätten.
Brandark bog um die nächste Hausecke, und Bahzell hätte vor Erleichterung fast geseufzt, als sie die prunkvolle Avenue hinter sich ließen und wieder in eine Art Geschäftsviertel kamen. Eine Viertelstunde später befanden sie sich in einem Gebiet mit großen Lagerhäusern, wo sich das Geschrei der Arbeiter mit dem Poltern von Karrenrädern mischte, und Bahzell entspannte sich merklich. Man musste zwar auf seine Zehen aufpassen, sonst konnte es sein, dass ein Wagenrad sie einem abtrennte, aber die Leute hatten zu viel zu tun, um sich den Luxus leisten zu können, ihm böse Blicke zuzuwerfen.
Außerdem gab es hier noch mehr Fremde. Bahzell hörte mindestens ein Dutzend anderer Sprachen und spitzte überrascht die Ohren, als vor ihm ein schlanker Mann mit goldfarbenem Haar die Straße überquerte.
Er hatte noch nie einen Elf gesehen, aber diese zierlich gebogenen Ohren und die hohen Brauen konnten unmöglich einem Menschen angehören. Jetzt sah er genauer hin und erkannte Angehörige noch vieler anderer Rassen.
Gefesselt sah er zu, wie eine kleine Gruppe Zwerge geschäftig über die Straße eilte. Sie reichten schon den Menschen kaum bis zur Taille, Bahzell gingen sie knapp bis zum Oberschenkel, und auf ihren Stirnen glänzten zierliche elfenbeinerne Hörner. Sie zogen ebenfalls misstrauische Blicke auf sich, was Bahzell nachvollziehen konnte. Die alten Legenden behaupteten, dass es vor den Zauberkriegen keine Zwerge gegeben hatte. Diese Kriege hatten den Fall von Kontovar herbeigeführt, sein eigenes Volk mit der Blutrunst geschlagen und eben auch diese kleinen, gehörnten Kreaturen erschaffen, die zu den jüngsten Menschenrassen gehörten. Das allein genügte, sie allen anderen Rassen verdächtig erscheinen zu lassen. Und ihr Ruf trug ein Weiteres dazu bei, obwohl Bahzell solche Gerüchte stets mit viel Vorsicht betrachtete. Selbst wenn sie zweifellos ein Körnchen
Wahrheit enthielten, denn immerhin waren auch die Gerüchte über die Hradani nicht ganz erfunden. Doch er konnte nicht glauben, dass eine ganze Rasse nur aus Feiglingen und Dieben bestand. Außerdem, wäre er selbst so eine schwächliche halbe Portion gewesen wie diese Zwerge, so würde er sich wohl auch eher … vorsichtig verhalten.
Brandark betrachtete die Firmenschilder, nickte plötzlich und hob die Hand.
»Wir sind da!« Bahzell vermutete, der zufriedene Ton seines Freundes war zum Teil darauf zurückzuführen, dass es ihnen gelungen war, die Stadt ohne nennenswerte Zwischenfälle zu durchqueren. Brandark mochte ja ein Stadtmensch sein, doch auch ihm musste Esgfalas überwältigend vorkommen.
»Wir sind da, ja?«, fragte Bahzell. »Und wo und was ist ›da‹?«
»Mit etwas Glück der Ort, wo wir jemanden finden, der uns anheuert. Folge mir.«
Brandark betrat einen mit Ziegeln gepflasterten Hof, der auf drei Seiten von riesigen, fensterlosen Lagerhäusern umringt wurde und auf dem etwa zwanzig Arbeiter ihrer Beschäftigung nachgingen. Sie hatten zu viel zu tun, um ihnen mehr als einen kurzen Blick zu gönnen, aber von einer Bank neben einer Bürotür erhoben sich vier Wachposten. Einer von ihnen, ein großer, schwarzhaariger Bursche mit einem abgewetzten Kettenhemd, einer Lederhose und den Schaftstiefeln eines Kavalleristen, sagte etwas zu seinen Gefährten und ging dann in dem wiegenden Gang eines Reiters über den Hof den Hradani entgegen. Der Säbel an seiner Seite wirkte ebenso gebraucht und gut gepflegt wie seine Rüstung, und er legte den Kopf etwas auf die Seite, als er sich vor ihnen aufbaute.
»Was kann ich für Euch tun?«, grollte er in rauem Esganisch. Bahzell hatte schon viele Stimmen gehört, die durch jahrelange Kommandogewalt schroff geworden waren, und verwechselte den barschen Ton des Mannes deshalb nicht mit Unhöflichkeit.
»Ich suche nach einem Axtmann-Händler«, erwiderte Brandark.
»Aye? Hat er vielleicht auch einen Namen?«
»Aber ja.« Zum ersten Mal, seit Bahzell ihn kannte, wirkte sein Freund ein wenig verlegen. »Ich … ich bin nicht sicher, ob ich seinen Namen richtig ausspreche«, entschuldigte er sich, »und ich möchte niemanden beleidigen, falls es mir nicht gelingt.«
»Aye?« Die
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