Der Schwur: Schwerter des Zorns 1 (German Edition)
Schuss gehalten als auch seine langjährigen Verträge mit dem Reich der Axt geerbt. Und sie nutzte beides mit beträchtlichem geschäftlichem Scharfsinn. Ihre Beziehungen zu den Händlern der Axtmänner waren gut, sie erhob nur niedrige Abgaben und Steuern und erlaubte keinem Briganten, in ihrem gut aufgeräumten Land Fuß zu fassen. Dies und dazu noch die Lage ihrer Hauptstadt als nördlichster Hafen am Saram hatten Derm zu einem großen Handelszentrum heranwachsen lassen.
Natürlich hätte man von Rianthus zu viel verlangt, seine Wachsamkeit schleifen zu lassen. Trotzdem fühlten sich alle in
der Karawane erleichtert, als sie vom Herzogtum Moretz nach Ernos fuhren. Rianthus hielt seinen straffen Wachdienst zwar aufrecht, und auch die Strafen für Unachtsamkeit blieben streng, aber jetzt führte die Straße, die in Ernos erheblich besser war als auf der Seite von Moretz, durch fruchtbares, gut bestelltes Ackerland und einladende Dörfer – und nicht mehr zwischen schroffen Hügeln hindurch, die für Überfälle ideal waren.
Brandark war von diesem Land fasziniert, wo die Dörfer nicht einmal mit Palisaden bewehrt waren und selbst größere Städte keine ernsthaften Befestigungen zu benötigen schienen. Die Chance, dass eine Armee aus dem fernen Navahk bis nach Ernos vordringen könnte, waren zwar äußerst gering, aber es schüttelte ihn bei dem Gedanken, was aus diesen wehrlosen Städten würde, sollte es jemals so weit kommen. Was ihn jedoch am meisten verblüffte war, dass die Bewohner der Städte und Dörfer offenbar keine Notwendigkeit sahen, sich vor ihren eigenen Nachbarn zu schützen. Er hatte zwar in Büchern von solchen Ländern gelesen, aber er war in Navahk aufgewachsen, und selbst mit dem unwiderlegbaren Beweis vor seiner Nase mochte er es einfach nicht glauben.
Bahzell dagegen schon. Er erblickte in diesem friedlichen Land das Ideal, das sein Vater verwirklichen wollte. Allerdings bezweifelte er, dass sich Prinz Bahnak damit zufrieden gegeben hätte, ein solch ruhiges Reich zu regieren. Dafür steckte zu viel von einem Kriegsherrn der Hradani in ihm. Bahzell fragte sich insgeheim sogar manchmal, ob sich sein Vater jemals wirklich auch das Ende der Entwicklung vorgestellt hatte, die er vorantrieb. Doch darum ging es ihm vermutlich gar nicht. Bahnak trachtete nicht nach Belohnung für seine Mühen, ihn reizte vielmehr die Herausforderung, die darin lag, denn es war der Kampf, den er liebte. Das Gefühl, etwas zu schaffen, und die Zufriedenheit, die ihm der Gedanke vermittelte, dass diese Aufgabe all die Widrigkeiten wert war.
Auf eine gewisse merkwürdige Art und Weise konnte Bahzell seinen Vater jetzt weit besser verstehen. Prinz Bahnak würde in einer Welt, in der es keine Intrigen oder tödliche Spiele in Krieg
und Politik gab, vor Langeweile sterben. Er würde sogar bei der Vorstellung einer solchen Welt verwirrt und verständnislos reagieren und die Idee verlachen, dass so etwas wie Altruismus in seinem Leben eine Rolle spielen sollte. Er war ein nüchterner Mann, der pragmatische Architekt eines Reiches! Seine Reformen zielten nur darauf ab, dieses Reich zu stärken, es unabhängiger zu machen und ihm damit zu ermöglichen, Feinden und potenziellen Eroberern besser widerstehen zu können, wenn die Zeit kam. Alles andere war für Bahnak Geschwätz. Bahzell hatte schon früh aufgehört mitzuzählen, wie oft sein Vater verkündet hatte, dass sich ein Mann in dieser Welt um sich selbst und die Seinen zu kümmern hatte. Diejenigen, die nach mehr trachteten, mussten zwangsläufig irgendwann fallen, und je eher sie es taten und damit den anderen den Weg frei machten, desto besser!
Dennoch hatte eben dieser Prinz seine Söhne und Töchter in dem Wissen erzogen, dass sie ihrem Volk etwas schuldeten, nicht umgekehrt. Es war der Kommandeur, der sicherstellte, dass in seiner Truppe alle bis auf den geringsten Mann dieselben Rationen bekamen und von ihren Heilern ebenso sorgfältig behandelt wurden, wie es ein Offizier im Feld erwarten konnte. Eben dieser Vater hatte seinen Sohn so erzogen, dass er Farmahs Leid nicht einfach den Rücken hatte kehren können. Zweifellos fluchte er jetzt wie ein Bierkutscher, weil sich sein Sohn in ein derartig haarsträubendes Schlamassel manövriert hatte. Doch Bahzell konnte sich sehr gut vorstellen, wie er reagieren würde, wenn sein Sohn tatenlos zugesehen hätte. Dass Bahnak in diesem Verhalten keineswegs einen Widerspruch sah, nagte mehr an seinem Ruf als einem
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