Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schwur

Der Schwur

Titel: Der Schwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Vollenbruch
Vom Netzwerk:
sowieso.«
    Sie trat zur Seite und ließ die beiden durch. Im Schein der Laterne erkannte Melanie ein uraltes, faltiges Gesicht unter spärlichen weißen Haaren, die zu einem unordentlichen Knoten gebunden waren. Die Frau war nicht viel größer als Melanie und wirkte massig, aber ihre Hände und Handgelenke waren ganz schmal und zart, die Haut dünn und trocken wie Pergament. Offenbar hatte sie mehrere Schichten Kleidung übereinander gezogen. Jetzt schloss sie die Tür und schlurfte an ihnen vorbei zum Kamin. »Brenne«, murmelte sie im Vorbeigehen, und das sauber aufgeschichtete Holz – oder waren es Teile von Riesenpilzen? – flammte auf. Melanie hielt vor Schreck den Atem an. Die alte Frau konnte wirklich zaubern! Am Ende war ihr Vergleich mit Hänsel und Gretel doch nicht so verrückt, wie sie gedacht hatte …
    »Setzt euch, Kinderchen.« Die Frau stellte ihre Laterne auf den Tisch und schlurfte zu einer der Holztruhen hin. Während sie sich hinkniete und darin herumzukramen begann, gingen Darian und Melanie zum Tisch und hockten sich hin. Melanie war jetzt so hungrig, dass sie auch einenRiesenpilz angeknabbert hätte. Sie schaute sich in der Hütte um – und zuckte zusammen. Da war ja noch jemand! Eine zweite uralte Frau – ebenso dünn, ebenso seltsam gekleidet, das Gesicht im Schatten. Regungslos saß sie auf einem der beiden Betten. Sie sagte nichts, tat nichts, schaute Melanie und Darian nur an. Melanie wurde es unheimlich unter diesem Blick. Ganz schön unhöflich, so zu starren! »Guten Tag«, sagte sie und schaute genauso starr zurück. »Ich heiße Melanie Vittori.«
    Die Frau starrte weiter.
    Die andere hatte in der Truhe gefunden, was sie suchte. Sie richtete sich auf und kam mit einem in Stoff eingeschlagenen Bündel zurück. »Das ist meine Schwester Idore. Sie wird nicht mit euch reden, also spar dir die Mühe. Ich heiße übrigens Isarde.«
    »Darian«, sagte Darian kurz.
    »Ich weiß.« Isarde stellte einen Korb mit dunkelbraunen Brotscheiben und ein großes Stück gelben, stark riechenden Käse auf den Tisch. Daneben legte sie ein großes Messer, das aus einem scharfgeschliffenen Stück Eisen bestand. Der Griff war nachlässig mit Lederfetzen umwickelt. Sehr vertrauenerweckend sah es nicht aus. Isarde verzog ihr faltiges Gesicht zu einem Lächeln, und Melanie stellte fest, dass die Zähne der alten Frau genauso braun und verfault aussahen, wie man es in einer Welt ohne Zahnpasta erwarten konnte. »Hier, Kinderchen. Esst!«
    »Danke.« Darian schnitt zwei dicke Scheiben Käse ab und legte eine vor Melanie auf den Holztisch.
    »Kann ich einen Teller haben?«, fragte Melanie angewidert.
    Isarde kicherte. »Wozu? Dafür ist doch das Brot da. Esst, Kinder!«
    Mehr und mehr hatte Melanie das Gefühl, sich in einem schrecklich schiefgegangenen Märchen zu befinden. Aber Darian schien es nicht zu kümmern, dass dieser Ort dreckig war und nach Schimmel stank und dass der Käse wahrscheinlich wochenlang in einem schmutzigen alten Tuch eingewickelt gewesen war. Wenn sie in dieser gefährlichen, unerfreulichen Gegend nicht verhungern wollte, musste sie das Zeug wohl essen. Aber Gnome hin, Rauchdämon her – sobald Isarde mit einem Stück Lebkuchen ankam, würde Melanie schreiend aus dem Haus rennen.
    Sie legte den Käse auf eine Brotscheibe, musterte beides misstrauisch und biss schließlich vorsichtig hinein – bereit, den Bissen sofort wieder auszuspucken.
    Es schmeckte gut. Sogar sehr gut. Wie es im Hexenhaus eben schmecken musste … aber sie war wirklich sehr hungrig. Kurzerhand warf sie ihre Bedenken über Bord und aß das ganze Brot auf.
    Danach fühlte sie sich besser. Noch besser wäre es allerdings gewesen, wenn die andere alte Frau – Idore – sie nicht ununterbrochen angestarrt hätte. Entschlossen drehte Melanie sich von ihr weg und schaute Isarde an, die mit einem Schürhaken im Kaminfeuer herumstocherte. »Also, was wollen Sie von uns?«
    Isarde lehnte den Schürhaken an die Wand und drehte sich freundlich lächelnd um. »Ist es nicht nett, dass unsere Gnome euch vor dem Rauchdämon gerettet haben?«
    »Und dann haben sie uns eingesperrt!«
    »Wir haben es eben nicht gern, wenn Besucher in unserem Haus herumlaufen, während wir nicht da sind.«
    »Das ist doch verrückt!« Melanie merkte, dass ihre Stimme schrill wurde, und zwang sich, leiser zu sprechen. »Hören Sie, wir wollen einfach wieder hier raus.«
    »So ein Zufall!«, sagte Isarde spitz. »Das wollen wir nämlich auch. Was

Weitere Kostenlose Bücher