Der Schwur
sagte sie.
»Oh, oh«, sagte Isarde und kicherte. »Was für böse Worte. Also hilfst du uns?«
»Ja.«
»Schwörst du es?«
Melanie zögerte. Darian schüttelte wild den Kopf, aber sie beachtete ihn nicht. Er wusste ja nichts von ihrem Plan. Sollte er doch glauben, sie fiele auf das Hexengefasel herein.
»Ja, klar«, sagte sie. »Ich schwöre es.«
J
agd
Den ganzen Tag über ritten Sonja, Elri und Lorin durch die verschneiten Berge nach Osten. Es war ein mühsamer Ritt, voller Tücken und Stolperfallen, und sie verließen sich auf Nachtfrost, der als Einziger genau zu wissen schien, wo er hintreten konnte, ohne sich die Beine in einem schneeverwehten Erdloch zu brechen. Natürlich gab es keine erkennbaren Wege mehr, obwohl Lorin behauptete, dass irgendwo hier eine uralte Handelsstraße verlaufen musste, die quer durch das Land führte. In früheren Zeiten seien viele Reisende durch Parva gezogen, hatten entlang der alten Straße Handel getrieben und Nachrichten aus fernen Ländern gebracht. Aber seit die Dämonen aus den Nebelmeeren ins Land vorgedrungen waren, gab es keinen Handel mehr.
»Woher weißt du das alles?«, fragte Sonja neugierig.
»Er fragt die alten Leute«, sagte Elri, noch bevor Lorin auch nur den Mund aufgemacht hatte. »Er sitzt stundenlang bei ihnen und hört zu, was sie erzählen.« Sie grinste über das ganze Gesicht. »Mir ist das zu langweilig.«
»Aber wenn die alten Leute es erzählen, kann es doch noch nicht so lange her sein«, sagte Sonja.
»Zwanzig oder dreißig Jahre sind eine lange Zeit in der Steppe«, gab Lorin zurück.
»Und ihr schreibt nichts auf?«
»Nein, wir erzählen Geschichten. Und die sind nicht langweilig.«
»Ich geh lieber jagen«, sagte Elri. »Hat übrigens jemand Hunger?«
Alle hatten Hunger. Elri kramte in ihrem Vorratsbeutel und verteilte Brot und getrocknete Früchte, die ein wenig nach Aprikose und Pfeffer schmeckten. Daran knabberten sie, während Sonja Nachtfrost seinen Weg über Schnee und Geröll finden ließ und die anderen beiden Pferde hinter ihm hertrotteten.
Zuerst war das Wetter schön, und die Berge strahlten so hell in der Sonne, dass die drei Kinder geblendet die Augen zukneifen mussten. Gegen Mittag schoben sich dann graue Wolken am Himmel zusammen. Es wurde dunkler, der Schnee färbte sich grau, aber wenigstens konnte Sonja sich jetzt wieder umschauen, ohne dabei blind zu werden. Noch nie war sie im Winter in einem Gebirge unterwegs gewesen. Außer dem Wind, der über blanke Felsen strich, und dem Knirschen der Hufe im Schnee war nichts zu hören. Die Berge waren schroffe Hänge, an denen nichts als Moos wuchs. Nur in manchen Senken gab es ein paar verkrüppelte Bäume, die ihre Krone nie über den Rand des Loches hinausstrecken würden, in dem sie wuchsen. Der scharfe Wind hielt sie klein. Sonja war froh, dass die Nomaden und das Kleine Volk ihr warme Kleidung gegeben hatten, der der Wind nichts anhaben konnte. Nur ihre Wangen brannten in der Kälte.
Erst als Sonja zum dritten Mal zum Himmel schaute, um herauszufinden, was sie an der Stille störte, merkte sie, dass sie auf das ferne Brummen eines Flugzeugs wartete. Sie war zu sehr daran gewöhnt, dass ständig Autos und Motorräder, Züge, Busse und Lastwagen irgendwo vorbeifuhren und Flugzeuge über ihren Kopf hinwegflogen. Hier gab es gar nichts, nicht einmal Vögel. Elris und LorinsStimmen und die Schritte der Pferde erschienen ihr sehr laut.
»Wo übernachten wir eigentlich?«, fragte sie. »Wir können uns doch nicht einfach in den Schnee legen.«
»Wir werden schon etwas finden«, antwortete Elri zuversichtlich. »Irgendeine windgeschützte Stelle oder eine Höhle …«
»… voller Schattenkatzen«, ergänzte Lorin und lachte über Sonjas bestürzten Blick. »Sonja, glaubst du nicht, dass Nachtfrost uns warnen würde, wenn solche Viecher in der Nähe wären?«
Stimmt , bestätigte Nachtfrost gelassen.
Als es zu dämmern begann, kamen sie in ein Tal, in dem ein paar knorrige Bäume wuchsen. An einigen windgeschützten Stellen lag kein Schnee, und dort beschlossen sie ihr Lager aufzubauen. Während Nachtfrost und die Pferde das spärliche gelbe Gras rupften, sammelten die drei Kinder Holz für das Lagerfeuer. Sonja benutzte zum ersten Mal das Messer, das Ganna ihr geschenkt hatte, und säbelte ein paar Zweige vom nächstbesten Baum ab. Stolz kehrte sie mit einem Arm voll Zweige zum Lager zurück – aber Lorin warf nur einen Blick auf ihre Beute und schüttelte den Kopf.
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