Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schwur

Der Schwur

Titel: Der Schwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Vollenbruch
Vom Netzwerk:
noch fünf Schritte weit. Dann ballte sie die Fäuste, zischte: »Jetzt!«, und brach nach rechts aus. Mit hämmerndem Herzen rannte sie auf den Pilzwald zu – jeden Moment mussten die alten Hexen doch nach ihr schreien! Aber kein Schrei kam, kein Ruf, kein rächender Blitz. Sie waren frei! Sie rannte zwischen den Pilzen hindurch, sprang über umgestürzte Stämme, kletterte über zerbrochene Schirme, bis sie nicht mehr rennen konnte, und dann blieb sie keuchend stehen und hielt sich die schmerzende Seite.
    Darian hielt neben ihr an. Er war ein wesentlich besserer Läufer als sie und atmete nicht einmal schneller.
    »Siehst du?«, japste Melanie triumphierend. »Es hat geklappt! Die finden uns nie wieder!«
    »Man merkt, dass du es noch nie mit Hexen zu tun hattest«, gab Darian knapp zurück und schaute sich um.
    »Wir sind noch lange nicht in Sicherheit.«
    »Egal! Wir gehen immer weiter – irgendwann werden wirschon etwas finden, wo wir hochklettern können!« Sie stieß sich ab und ging zielstrebig weiter – wohin auch immer. Darian folgte ihr schweigend. Sie spürte, dass er unzufrieden mit ihr war, und ärgerte sich, dass es ihr etwas ausmachte. »Schwur brechen«, pah! Versprechen, die man unter Druck gibt, muss man nicht halten. Aber so etwas konnte ein Prinz Darian von Chiarron wohl nicht begreifen. Warum war er bloß hinter ihr her in den Abgrund gesprungen? Sie würde froh sein, wenn sie ihn los war. Und der erste Schritt war schon geschafft, sie waren frei!
    Mit neuem Mut schaute sie sich um. Riesenpilze, wohin sie auch sah. Einen erkennbaren Weg gab es nicht, dafür aber auch kein störendes Unterholz oder Gestrüpp. Sie hatte keine Ahnung, wohin sie unterwegs war, aber sie konnte immer geradeaus gehen, weg von dem Erdhaus der beiden Hexen. Vielleicht konnte sie auf das ferne Brausen zugehen und herausfinden, was es war. Schlimmer als die ewige Stille des Pilzwaldes konnte es nicht sein. Also marschierte sie tapfer drauflos.
    Nach einiger Zeit, in der sich die Lautstärke des Brausens nicht verändert hatte, sagte Darian hinter ihr plötzlich: »Da ist ein Licht.«
    Melanie blieb stehen und spähte nach vorne. Tatsächlich, in dem rötlichen Zwielicht glomm etwas Helles. Unwillkürlich senkte sie die Stimme. »Ein Haus?«
    »Vielleicht«, murmelte Darian. »Wir sollten nicht so nahe herangehen.«
    »Aber vielleicht leben dort Leute, die uns helfen, hier herauszukommen!« Sie wartete seine Antwort nicht ab, sondern ging – wenn auch leise und vorsichtig – auf das Licht zu.
    Schon bald erkannte sie, dass das Licht von einer großenFeuerschale kam, die auf einer steinernen Anhöhe stand. Rings um den Hügel standen acht hohe Steinsäulen, die im flackernden Feuerschein lange, zuckende Schatten auf den Boden warfen. Zwei Gestalten standen neben der Feuerschale.
    Hochgesteckte weiße Haare.
    Lange weiße Kleider.
    Melanie blieb wie angewurzelt stehen. Sie fühlte sich, als hätte man sie mit einem Schwall eiskalten Wassers übergossen.
    »Da seid ihr ja, Kinderchen«, sagte Isarde lächelnd, und Idore stieß wieder das meckernde Lachen aus, das einfach nur unmenschlich klang.
    Melanie fuhr herum. Nur weg hier! Aber statt des unendlichen Pilzwaldes, aus dem sie gerade gekommen war, sah sie – die Erdhütte, die sie doch vor Stunden weit hinter sich gelassen hatten.
    »Darian!«, schrie sie. »Tu doch was!«
    Darian schaute sie an und schüttelte den Kopf. »Ich habe dir doch gesagt, wir haben es mit Hexen zu tun«, sagte er. »Und du hast es geschworen. Ich kann hier nichts tun.«
    »Warum bist du dann mitgekommen, wenn du doch wusstest, dass es nichts bringt?« Vor Wut und Enttäuschung kamen Melanie die Tränen.
    »Wenn du das nicht verstehst, hat es keinen Sinn, es dir zu erklären«, sagte er leise und wandte sich von ihr ab.
    Es tat weh, aber Melanie hatte keine Zeit, darauf zu achten. Von der Anhöhe herab sagte Isarde: »Sieh es ein, Kindchen. Ein Versprechen musst du schon halten. Alles andere wäre nicht anständig, oder? Es ist auch nur eine Kleinigkeit. Komm einmal zu mir.«
    Melanie rührte sich nicht von der Stelle. Sollten die scheußlichen alten Weiber doch sehen, wie sie ihr Problem alleine lösten!
    Aber obwohl sie keinen Schritt nach vorne trat, bewegte sie sich plötzlich doch. Wie eine Statue glitt sie über den Boden und die Anhöhe hinauf – oder war es die ganze Welt, die sich auf einmal unter ihr verschob? Sie war so erschrocken, dass sie kein Wort herausbrachte, als sie

Weitere Kostenlose Bücher