Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schwur

Der Schwur

Titel: Der Schwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Vollenbruch
Vom Netzwerk:
plötzlich vor Isarde stand. Und als sie der alten Frau in die Augen schaute, sah sie dort neben funkelndem Spott und einem Hauch von Bösartigkeit vor allem eins: das Bewusstsein von Macht.
    »Lass mich gehen«, flüsterte sie.
    »Natürlich«, sagte Isarde. »Sobald du getan hast, was wir von dir wollen.«
    »Und was soll das sein? Damit das klar ist: Ich mache nichts, was nicht –«
    Isarde hob die Hand, und plötzlich hörte Melanie ihre eigenen Worte nicht mehr, als sei die Lautstärke weggedreht worden. War sie auf einmal taub? Aber nein, sie konnte noch alles andere hören: das Rascheln von Isardes Kleid, das Atmen der verrückten Idore, das ferne Brausen. Nur ihre eigene Stimme nicht. Entsetzt schaute sie Isarde an und begegnete einem Blick, der nichts Freundliches mehr an sich hatte.
    »Schluss jetzt«, sagte Isarde mit eiskalter Stimme. »Ich habe genug von deinem Geschwätz. Es interessiert mich nicht, was du glaubst oder willst oder denkst. Ich weiß schon, dass du dich für besonders schlau hältst, weil du meinst, du könntest mir etwas versprechen und mich dann doch betrügen. Aber ich verrate dir ein Geheimnis: Du bist hier nicht in deiner Welt, sondern in meiner, und hier gilt ein anderes Gesetz. Du hast mir geschworen, undden wirst du halten. Du hättest auf Darian hören sollen; er hat ja sogar noch versucht, dich zu warnen. Jetzt ist es zu spät. Du wirst tun, was ich sage, du wirst es tun, sobald ich es sage, und ganz gleich, was ich von dir verlange – du wirst es tun. Du hast jetzt nur noch eine Wahl: Du kannst entscheiden, ob du deinen Körper selbst beherrschen willst oder ob ich es tun und dich wie eine willenlose Puppe lenken soll. Glaub mir, ich kann es. Für mich steht zu viel auf dem Spiel, und ich werde keinen Moment zögern, dich wirklich zu zwingen. Und du brauchst gar nicht so zu Darian hinzuschauen. Durch deine eigene Überheblichkeit und Eifersucht hast du euch beide in diese Situation gebracht, und jetzt kann dir niemand mehr helfen. Hast du mich verstanden?«
    Melanie war wie betäubt. Noch nie hatte jemand so brutal und voller Verachtung mit ihr gesprochen. Und das Schlimmste war, dass Isarde mit jedem einzelnen Wort recht hatte. Melanie hatte den schlimmsten Fehler ihres Lebens begangen, als sie versucht hatte, Nachtfrost zu zwingen, sie mitzunehmen. Und den zweitschlimmsten, als sie ein Versprechen abgegeben hatte, das sie niemals halten wollte.
    »Es tut mir leid«, flüsterte sie und merkte erst jetzt, dass sie wieder sprechen konnte. »Lassen – lassen Sie wenigstens Darian gehen.«
    »Mach dich nicht lächerlich. Schließlich ist er derjenige, den ich in die Hände bekommen wollte – ihn und Nachtfrost.« Isarde bleckte die Zähne zu einem höhnischen Grinsen. »Und dank dir hat das ja auch wunderbar geklappt. Durch dein Versprechen hast du ihn gründlicher gefesselt, als ich es je hätte tun können. Unser Prinzchen ist zu ehrenhaft, um dich jetzt im Stich zu lassen.«
    »Hör nicht auf sie«, sagte Darian ruhig. Er schaute zu Isarde hoch. »Ich wusste es, seit ich den Rauchdämon sah. Du hattest ihn schon einmal losgeschickt, um mich zu fangen, nicht wahr?«
    Jetzt kicherte Isarde wieder. »Ganz richtig. Leider hat dieses verfluchte Einhorn Kräfte, gegen die er nicht ankommt, und damit konnte Nachtfrost dich retten. Aber diesmal nicht.«
    »Und wozu das alles? Was habt ihr vor? Was habe ich mit der Nebelbrücke zu tun?«
    »Ich habe euch die Wahrheit gesagt. Wir werden die Nebelbrücke zerstören. Wir wollen frei sein. Tausend Jahre sind genug! Für dich hat jemand einen guten Preis bezahlt, und wir haben geschworen, dass du nie wieder nach Chiarron zurückkehrst. Also schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe.« Sie grinste böse. »Wir gehen, und du bleibst hier. Wenn die Brücke erst zerstört ist, gibt es keinen Weg mehr hier heraus; es sei denn ihr könnt fliegen.«
    Darian war jetzt sehr blass. »Wer hat dafür bezahlt? Was ist mit meinen Eltern?«
    »Das errätst du nicht? Der Spürer natürlich. Derjenige, der dich bis zur Küste gejagt hat. Und was er mit deinen Eltern gemacht hat? Ich weiß es nicht. Und es kümmert mich nicht. Denn das ist nicht mein Teil der Abmachung. Du siehst, unser Schwur wird nicht gebrochen.« Sie verstummte und hob den Kopf, als ob sie lauschte. Dann sagte sie abrupt: »Schluss mit dem Gerede.« Plötzlich hielt sie etwas in den Händen und warf es Melanie zu. Melanie griff reflexartig zu und fing es auf. Es war ein ganz

Weitere Kostenlose Bücher