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Der Schwur

Der Schwur

Titel: Der Schwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Vollenbruch
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nach dieser Tante suchen.«
    »Welcher Tante?«
    »Hallo? Frau von Stetten natürlich!«
    »Ach so.« Sie schaute auf ihr Buch nieder und glättete sorgfältig ein Eselsohr. »Nee, lass mal.«
    »Wieso das denn? Ich dachte, du willst sie finden! Was ist denn mit Darian?«
    Sie zuckte wieder nur die Achseln.
    Eie schlimme Vermutung kam Philipp in den Sinn und er sprach sie aus. »Sag mal – ist Darian etwa schon mit Nachtfrost zurückgegangen?«
    Sonja zog die Knie hoch und verschanzte sich dahinter.
    »Ist doch egal.«
    »Tut mir leid«, sagte Philipp bestürzt. »Hör mal, Schwesterchen, das konnte ich doch nicht wissen.« Fieberhaft überlegte er, wie er sie trösten sollte, aber ihm fiel nichts ein. »Ich kann mir vorstellen, dass das wehtut.«
    Normalerweise wäre das das Signal für Sonja gewesen, sich bei ihm auszuheulen. Aber sie blickte nicht einmal von ihrem Buch auf. »Ach, das war doch nur Spiel. Nichts Echtes.«
    Das war der Augenblick, in dem Philipp plötzlich ganz wach wurde – so wach, wie man nur sein kann, wenn man das Gefühl hat, aus heiterem Himmel plötzlich einen Faustschlag in die Magengrube bekommen zu haben. »Wie bitte?«
    Sonja warf ihm einen schnellen, abschätzenden Blick zu und zuckte die Achseln. »Kinderkram halt. Ich hab’s schon fast vergessen.«
    »Augenblick mal«, sagte Philipp. Er schaute seine Schwester an und fühlte, wie ihm ein kalter Schauder über den Rücken lief. Das war doch Sonja, seine Lieblingsschwester – klein, dünn, mit glatten braunen Haaren, abgetragenen Jeans und einem blauen Pullover. Sie sah genauso aus wie immer … und sie sagte, die Ereignisse um Darian und das schwarzsilberne Einhorn seien nur Kinderkram gewesen?
    Seit dem Moment, in dem er Darian getroffen hatte, wusste Philipp, dass nun alles möglich war: Magie, Abenteuer, Gefahr … und Täuschung. Die Wirklichkeit war nur eine von unzähligen Möglichkeiten, die Welt nur eine unter vielen, es gab Tore ins Nichts und Brücken, über die nur ein Einhorn gehen konnte. Das Einhorn hatte er noch nicht gesehen. Aber er hatte Sonja gesehen, während sie ihm davon erzählte. Und er war Zeuge gewesen, wie Darian, zwei Tage nachdem er sich den Fuß gebrochen hatte, aufgestanden und herumgelaufen war.
    Nichts Echtes?
    Er stand auf. Sonja zog sich noch tiefer hinter ihr Buch zurück und blickte zu ihm hoch, das Gesicht halb unter braunen Haaren verborgen. »Also gut.« Philipp atmete tief ein und versuchte, die Furcht zu unterdrücken. Alles war möglich. »Du wirst mir jetzt eine Frage beantworten. Wer bist du? Und wo ist Sonja?«
    Das Gesicht des Mädchens wurde vollkommen leer, die Augen ausdruckslos, als horche sie auf eine Stimme, die Philipp nicht hören konnte. Dann plötzlich schien etwas wie ein Schalter umzukippen, sie schaute ihn an und kicherte. »Was? Natürlich bin ich Sonja! Wer soll ich denn sonst sein?«
    »Du bist nicht Sonja!«, sagte Philipp und merkte, wie er wütend wurde. »Du siehst zwar aus wie sie, und auch eure Stimmen klingen gleich, aber nie im Leben würde Sonjamir erzählen, dass sie sich das alles nur ausgedacht hat. Du hast nämlich etwas nicht bedacht: Ich kenne Sonja, und ich weiß über die ganze Geschichte Bescheid. Ich war dabei! Und du sagst mir jetzt augenblicklich, wo meine Schwester ist, oder du bekommst ein echtes Problem!«
    »Du bist verrückt«, sagte das Mädchen, das nicht Sonja war. »Was willst du tun, mich verprügeln? Geh weg!«
    »Oder du bist doch Sonja und irgendwer hat dich verhext.« Durchdringend starrte Philipp sie an. »War es diese Frau von Stetten?«
    »Quatsch!«
    Am liebsten hätte Philipp ihr jetzt eine Ohrfeige verpasst. Stattdessen drehte er sich um und ging zum Schreibtisch. Es half nichts, irgendjemanden zu schlagen; er musste nachdenken. Er setzte sich auf den Stuhl.
    Das fremde Mädchen versteckte sich hinter dem Geschichtsbuch und beobachtete ihn.
    Wenn es nicht Sonja war, war Sonja fort. Schon seit drei Tagen. Und niemand vermisste sie, niemand vermutete irgendetwas Böses … aber wer war in der Lage, sie durch eine Art magische Zwillingsschwester zu ersetzen? Darian? Was hätte er davon gehabt?
    Wenn es aber doch Sonja war und jemand sie verhext hatte, konnte es durchaus Darian gewesen sein. Vielleicht hatte er versucht, alle Spuren seines Besuchs auszulöschen, bevor er mit Nachtfrost nach Parva zurückgekehrt war.
    Aber auch das war unlogisch. Darian hatte viel mehr mit Melanie und Philipp zu tun gehabt als mit Sonja. Um seine

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