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Der Schwur

Der Schwur

Titel: Der Schwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Vollenbruch
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Sie fühlte sich ganz und gar nicht fähig zu kämpfen oder irgendwelche sonstigen Heldentaten zu vollbringen – sie konnte ja nicht mal mit dem Messer umgehen, das Eok ihr gegeben hatte! Aber jetzt war es zu spät, sie konnte nicht mehr zurück.
    Nachtfrost setzte sich in Bewegung. Als sie unter dem Schirm des ersten Riesenpilzes hindurchritten, wehte eine rote Staubwolke aus den Lamellen auf sie herab. Sonja spuckte und hustete und bekam das Zeug in die Augen.
    Es brannte erbärmlich, und durch Reiben machte sie es nur schlimmer. So bemerkte sie gar nicht, dass sie sich einer Anhöhe mit acht aufragenden Steinen näherten. Sie sah weder die Feuerschale noch die beiden weißen Hexen, die reglos warteten. Erst als Nachtfrost plötzlich stehen blieb, blinzelte sie nach vorne. Melanie stand vor Nachtfrost. Sie sah irgendwie seltsam aus – verdreckt, verheult, mit einem merkwürdig leeren Gesichtsausdruck. In der Hand hielt sie ein Halfter. Nachtfrost legte die Ohren flach zurück und warf den Kopf hoch, aber dann senkte er ihn doch.
    »Nein!«, schrie Darian von der Anhöhe her. »Melanie, tu es nicht! Nachtfrost, lauf weg!«
    Aber es war zu spät. Mit einer jahrelang an zwei widerspenstigen Isländern geübten Bewegung zog Melanie Nachtfrost das Halfter über den Kopf.
    Nachtfrost blieb reglos stehen. Kein Muskel zuckte, die Ohren bewegten sich nicht, er stand einfach nur da und schaute aus leeren Augen nach vorne.
    Isarde bewegte die Hand und Melanie wachte wieder auf.Sie sah Nachtfrost vor sich, das Halfter, Sonja, die bestürzt und verwirrt auf dem Rücken des Einhorns saß. Entsetzt stolperte sie zurück. »Nachtfrost! Sonja! Ich wollte das nicht – es tut mir leid!«
    Jemand lachte. Es war ein scheußliches, meckerndes, triumphierendes Lachen, das ihnen durch Mark und Bein ging. Isarde und Idore traten auf der Anhöhe nach vorne und hoben die Hände, und Nachtfrost bäumte sich auf und warf Sonja ab. Weil sie damit überhaupt nicht gerechnet hatte, rutschte sie über seine Kruppe nach hinten ab und landete schmerzhaft auf dem Boden. Nachtfrost setzte sich in Bewegung und trottete mit steifen, staksenden Schritten auf die Anhöhe zu.
    Sonja, Melanie und Darian sahen die Messer in den Händen der beiden Hexen, und Melanie begriff endlich, was sie vorhatten.
    Sie wollten Nachtfrost nicht nur von der Brücke fernhalten, während sie sie zerstörten. Sie wollten ihn töten.
    Und das Halfter war ein Zauber, der ihn fesselte.
    Sie schrien alle drei auf. »Nein!« Und rannten los, aber es war wie in einem jener scheußlichen Träume, in denen man nicht vom Fleck kommt, sosehr man sich auch anstrengt. Nachtfrost stieg langsam die Anhöhe hinauf und blieb neben der Feuerschale stehen. Licht zuckte über sein schwarzes Fell, und die Mähne sah aus, als ob sie brannte. Aber er stand völlig teilnahmslos da und schien nicht zu merken, was um ihn herum vorging. Die Hexen lachten hämisch.
    »Gut gemacht, Melanie«, sagte Isarde höhnisch. »Vielen Dank für deine Hilfe.«
    »Ich war das nicht!«, schrie Melanie. »Sonja, du musst mir glauben! Bitte! Ich hätte niemals –«
    Sonja schüttelte den Kopf, und Melanie brach ab, als hätte man sie auf den Mund geschlagen. Fieberhaft dachte Sonja nach. Was konnten sie tun? Sie konnten weder kämpfen noch fliehen, und Hilfe war nicht zu erwarten; sie waren ganz allein auf sich gestellt. Das Amulett! Sie griff in die Tasche und zog es heraus, aber es blieb kalt und tot. Isarde kicherte und hob das Messer. »Na …?«, sagte sie. »Fällt euch wirklich nichts ein?«
    »Doch«, sagte Darian. Er war sehr blass. »Sperrt mich für alle Ewigkeit ein, aber lasst ihn am Leben!«
    »Wozu soll das gut sein?«, gab Isarde zurück. »Du gehörst uns schon, kleiner Prinz. Und Nachtfrost gehört uns auch. Niemand außer uns kann diesen Zaum lösen, und wir werden es nicht tun. Die Brücke wird zerstört.«
    »Ihr seid wahnsinnig«, sagte Darian. »Die Brücke zwischen den Welten besteht seit tausenden und abertausenden von Jahren. Warum wollt ihr sie zerstören?«
    »Weil wir sie nicht mehr bewachen wollen. Tausend und abertausend Jahre in diesem Drecksloch von einem Abgrund, und du fragst, warum wir die Brücke zerstören wollen? Spar dir die Mühe, Junge. Schaut weg, Kinder. Keine Sorge, es ist schnell vorbei.«
    »Kann – kann die Brücke nicht irgendwie anders zerstört werden?«, fragte Melanie heiser und verzweifelt.
    »Nein, Kindchen. Der Taithar ist die Brücke, hast du das noch nicht

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