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Der Schwur

Der Schwur

Titel: Der Schwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Vollenbruch
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musst einen Namen haben«, sagte sie. »Ich kann dich nicht nur ›He, Pferd!‹ nennen.« Es wunderte sie schon kaum mehr, dass das Pferd mit einem Schnauben antwortete.
    »Lass mich überlegen«, sagte sie. »Toby? Bingo? Nein, das klingt alles doof. Komisch, dass du nicht kastriert bist; ich hab immer gedacht, alle Hengste, die nicht zur Zucht taugen, werden kastriert. Du kannst doch kein Rassepferdsein – du bist viel zu hässlich!« Die Bemerkung tat ihr sofort leid, aber der Graue fraß unbeeindruckt weiter und drehte ihr nur ein Ohr zu.
    »Ich meine – du siehst überhaupt nicht aus wie die Pferde in meinem Buch! Und du bist doch bestimmt kein Wildpferd, oder?« Sie erinnerte sich an die Hufspuren im Wald und schaute sich die Hufe des Grauen genau an. Da war keine Spur von Eisen oder Nägeln zu sehen, sie waren rund und perfekt. »Es gibt doch keine Wildpferde in Deutschland!« Doch, fiel ihr dann ein. In Westfalen gab es die Dülmener Wildpferde. Vielleicht war der Graue eins von ihnen? Sie musste unbedingt in ihrem Buch nachschauen. Aber vorher wollte sie noch die Striemen auswaschen. Sie hob den Schwamm auf.
    In diesem Moment hörte sie Mopedknattern, das rasch lauter wurde. Normalerweise achtete sie nicht auf so etwas, aber plötzlich schien es ihr bedrohlich zu klingen. Sie drehte sich um – und sah gerade noch den Schimmer eines grauen Schweifs hinter dem Haus verschwinden. Sie hatte keinen einzigen Hufschlag gehört.
    Die Mopeds kamen immer näher. Plötzlich hatte Sonja schreckliche Angst, obwohl sie selbst nicht wusste, wovor. Sie ließ den Schwamm fallen, packte den Futtereimer und rannte in den leeren Stall, wo sie die Boxentür hinter sich zuzog und sich hinkauerte. Sie hörte, wie mehrere Mopeds auf den Hof fuhren. Die Motoren klangen sehr laut und schmerzhaft in der Stille des Waldes.
    »He, hier war jemand!«, rief eine männliche Stimme. »Der Schwamm ist noch nass!«
    »Was ist denn das für eine Brühe? Pfui Teufel, das stinkt!« Etwas klatschte; offenbar hatten sie den Eimer umgetreten. Wie Haie kreisten sie auf dem Hof herum.
    »Guckt mal, ein Fahrrad!« Diese näselnde Stimme kannte Sonja sogar. Sie gehörte Max Freese, einem unangenehmen Jungen aus Corinnas Klasse. Die Mopeds blieben stehen, die Motoren liefen im Leerlauf. Gleich darauf gab es ein schreckliches Scheppern.
    »Vielleicht ist der Gaul in einem der Schuppen?«, fragte ein anderer Junge. Sonja erstarrte und duckte sich noch tiefer. Sie hörte, wie jemand hereinkam und an der Boxentür rüttelte. »Nee, hier ist nichts. Kein Stroh und kein Gaul.«
    »Hier liegen aber frische Möhrenreste.«
    »Hier ist trotzdem nichts.« Er ging wieder hinaus und Sonja atmete auf – aber sie hatte sich zu früh gefreut.
    »Quatsch«, sagte Max. »Der Hof ist seit einer Woche dicht, das stand in der Zeitung. Also wie kommen hier Möhren und ein nasser Schwamm hin? Los, Leute, umgucken.«
    Sie schalteten die Motoren aus und gingen auf dem Hof herum. Die Tür vom Nachbarstall wurde aufgerissen und wieder zugeworfen, am Haus klirrte ein Fenster, als würde dort eine Scheibe eingeschmissen – und plötzlich sagte Max’ näselnde Stimme direkt über Sonja: »Na guck mal einer an. Hab ich’s nicht gesagt?«
    Sie blickte hoch und schaute ihm direkt in die Augen.
    »Aua! Du tust mir weh! Lass mich los!« Sonja zappelte und schlug um sich, aber Max lachte nur und zog sie am Arm aus dem Stall. »He, guckt mal, was ich gefunden habe!«
    Seine vier Freunde kamen aus dem Stall und vom Haus zurück. Sonja kannte alle vom Sehen und ihr wurde himmelangst. Sie hießen Simon, Fabian, Alex und Marek, nannten sich »Hell’s Devils« und waren der Schrecken der ganzen Schule. Selbst die Lehrer kamen nicht gegen sie an. Sie waren sechzehn oder schon siebzehn und alle Kinder gingen ihnen weit aus dem Weg. Sie erpressten Geld, stießen die Jüngeren schon mal im Vorbeifahren samt Fahrrad in den Straßengraben und schlugen jeden zusammen, der ihnen nicht passte. Verzweifelt schaute sie sich um, aber die fünf bauten sich wie eine Mauer um sie auf.
    »Die kenne ich«, sagte Marek unerwartet. »Das ist Philipp Bergers kleine Schwester. Lass sie los, Max.«
    »Ich denke gar nicht daran.« Max hielt Sonjas Arm immer noch umklammert und schüttelte sie. Es tat weh und ihr schossen die Tränen in die Augen. »Hör mal, was machst du hier, hä? Weißt du nicht, dass der Waldhof für kleine Mädchen verboten ist?« Seine Freunde lachten. »Das hier ist nämlich unser

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