Der Schwur
von Schimmeln in allen Rassen, Größen und Farben, aber keins davon sah auch nur ansatzweise so aus wie Nachtfrost.
Melanie seufzte. »Das bringt nichts, so finden wir ihn nie.«
»Wäre ja auch zu schön gewesen.« Resigniert ließ Sonja sich wieder aufs Bett fallen. »Aber so dumm wird die Frau nicht sein, ein Bild von ihm ins Netz zu stellen. Da findet ihn ja jeder.«
»Wer außer uns sucht ihn denn?«
Sonja stutzte. »Ich weiß nicht.«
»Lass uns mal in Ruhe nachdenken. Ich glaube, wir haben es falsch angefangen. Was wissen wir denn eigentlich über ihn?«
»Dass er angeblich von der Weide abgehauen –«
»Das hat sie gesagt, aber das heißt nicht, dass es stimmt. Sag mir nur das, was du ganz sicher weißt!«
Sonja überlegte. »Er war verletzt. Er hatte einen tiefen Schnitt am Vorderbein, und auf den Schultern hatte er blutige Striemen wie von einer Peitsche, und er war schrecklich dünn. Als wir zurückkamen, ging es ihm besser, aber zu dünn war er immer noch.«
»Waren die Verletzungen schlimm genug, dass sie ihn zu einem Tierarzt bringen würde?«
»Auf jeden Fall. Aber wie finden wir heraus, wer ihn behandelt hat? Wir wissen ja nicht einmal, aus welcher Stadt diese Frau kommt!«
»Weit weg kann sie nicht wohnen«, sagte Melanie. »Sonst wäre Nachtfrost kaum in unserem Forstwald aufgetaucht.«
Sonja dachte darüber nach und schüttelte den Kopf. »Er kam nicht von hier. Er galoppierte drüben in der anderen Welt los, lief durch den Nebel und kam im Forstwald heraus. Er kann wer weiß wo losgelaufen sein, bevor er –«
»Ja, schon klar.«
Sie grübelten eine Weile weiter. Melanies Frage von vorhin ließ Sonja nicht los. Wer außer ihnen suchte ebenfalls nach Nachtfrost? Der Spürer? Er hatte Sonja gejagt, aber das war in der anderen Welt gewesen. Hier gab es höchstens eine Gruppe Tierschützer, vor denen sie sich im Wald versteckt hatte. Und die suchten sicher nicht mehr, denn Nachtfrost war ja von Frau von Stetten weggebracht worden. Sicher war das inzwischen bekannt … oder?
»Warum grinst du so?«, fragte Melanie.
»Ich überlege, ob die Tierschützer wohl noch immer durch den Wald radeln und ein graues Pferd suchen, das schon ewig nicht mehr da ist.«
Melanie kicherte. »Es stand doch bestimmt in der Zeitung, dass er gefunden wurde! Schließlich wussten sie auch aus der Zeitung, dass er im Wald herumlief.«
»Also, ich hab’s der Zeitung nicht gesagt. Wahrscheinlich hat die Stetten sie angerufen und die Suche abgeblasen.«
»Lass uns mal nachsehen. Warte, ich hole die Zeitungen her!« Melanie sprang auf und lief aus dem Zimmer. Mit einem Stapel Tageszeitungen auf dem Arm kam sie zurück. »Am Dienstag bist du zurückgekommen, also müsste am Mittwoch etwas dringestanden haben.« Sie suchte die drei Zeitungen von Mittwoch heraus und sie setzten sich auf den Boden. Nach kurzer Zeit steckten sie in einem Chaos aufgeschlagener Zeitungsseiten, die sich rasch im ganzen Zimmer ausbreiteten. Aber sosehr sie auch suchten, sie fanden keine Meldung darüber, dass das graue Pferd gefunden worden war. Es gab aber auch nichts, das darauf hindeutete, dass es noch gesucht wurde.
»Ich glaube, die will sich um den Finderlohn drücken«, sagte Melanie und blickte sich in dem Papierberg um, in dem sie saß. »Mein Vater bringt mich um!«
Sonja achtete nicht darauf. »Finderlohn ist mir egal«, sagte sie. »Ich glaube einfach nicht, dass Nachtfrost ihr gehört. Einhörner gehören niemandem! Sie sind die Boten der Göttin Aruna!«
»Es kann doch eine Tarnung sein. Du sagtest doch, dass sie so ein komisches Wort zu dir gesagt hat –«
»Yeriye.« Mittlerweile mochte Sonja das Wort ganz gern, es klang so weich und fremd. »Das heißt Weißhaut.«
»Also weiß sie von deiner fremden Welt.«
»Parva. Das Land heißt Parva. «
»Jaja«, fuhr Melanie fort. »Was ich meine, ist, dass sie vielleicht ebenfalls von dort kommt. Du hast auch gesagt, Nachtfrost hätte sich gefreut, sie zu sehen. Dann gehört er eher ihr als – als – irgendwem anders.«
»Als mir, meinst du.«
»Dir gehört er sowieso nicht. Wo willst du denn ein Pferd halten? In eurer Etagenwohnung?«
»Ich will ihn ja nicht behalten!« Natürlich wollte sie das, aber es war nicht klug, so etwas laut zu sagen. »Darian muss mit Nachtfrost zurück nach Parva reiten und das Amulett nach Chiarron zu seinen Eltern bringen. Das Amulett ist ein Friedensangebot.«
»Weiß ich doch, das hast du mir alles schon erzählt.«
»Ich denke ja
Weitere Kostenlose Bücher