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Der Schwur

Der Schwur

Titel: Der Schwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Vollenbruch
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uralter Steinkreis. Darauf kommt es nicht an. Es kommt nur auf das an, was du willst. Willst du Nachtfrost finden? Ja oder nein?«
    Sonja fühlte sich unbehaglich. »Ja, natürlich, aber –«
    »Willst du ihn finden?«
    »Ja!«
    »Unbedingt?«
    Selbst Melanie hielt jetzt den Mund. Sonja schaute Darian an und spürte, wie eine Welle von Zuversicht durch sie hindurchrollte. Sie wollte Nachtfrost finden – und sie würde ihn finden.
    »Unbedingt.«
    Darian lächelte. »Dann versuche es jetzt noch einmal.« Er setzte sich wieder hin.
    Sonja schaute ihn an, dann Melanie, die den Blick ernst und ein wenig verwirrt erwiderte, dann das Amulett. Sie fühlte sich plötzlich anders – ernster, größer, vielleicht sogar ein wenig erwachsener. Zum ersten Mal begriff sie, wie wichtig es war, dass sie wusste, was sie tun wollte. Sie schloss die Augen und sah Nachtfrost vor sich, wie er verletzt und halb verhungert im Tannenwald stand und sie anschaute. Nachtfrost … das schönste Wesen der Welt, schöner als jedes Pferd, stärker, intelligenter, wilder … Nachtfrost als elender grauer Klepper, der hinter einer seltsamen Frau herzockelte und in einen Pferdeanhänger trottete … und plötzlich wurde das Amulett schlagartig heiß, und für einen Moment sah sie das graue Pferd ganz deutlich: Ruhelos trabte es über eine Wiese, bäumte sich halb auf, wendete und trabte wieder zurück. Dann war das Bild verschwunden.
    Sonja umklammerte das Amulett und riss die Augen auf. »Darian! Es hat funktioniert! Ich hab ihn gesehen!«
    »Wow«, sagte Melanie tief beeindruckt. »Wie sah es denn aus? Wie ein Bild im Fernsehen?«
    »Nein …« Sonja zögerte. »Eher wie in einem Traum. Aber ganz deutlich.«
    Darian lächelte breit. »Siehst du? Ich hab’s dir ja gesagt. Wo ist er?«
    Sonja deutete auf die Zimmerecke mit ihrem Schreibtisch. »Es kam von da.«
    »Das ist doch schon ein Anhaltspunkt. Was für Orte liegen in dieser Richtung?«
    Melanie sprang auf. »Wartet mal!« Sie zog Sonjas Schulatlas aus dem Regal und schlug ihn auf, und Darian fielen fast die Augen aus dem Kopf. »Das sind Karten eurer ganzen Welt? Wer ist denn da überall hingereist?«
    »Kolumbus«, antwortete Sonja ungeduldig. »Das ist doch jetzt egal!« Ihr war ganz schlecht vor Aufregung. Die Magie hatte tatsächlich funktioniert – aber half ihnen das wirklich weiter? Sie versuchte, sich an Einzelheiten des Bildes zu erinnern, aber alles, was sie sah, waren eine Grasfläche, ein weißer Bretterzaun und ein paar rote Dächer im Hintergrund.
    Sie beugten sich über den Atlas, merkten aber schon bald, dass er ihnen in der Richtung zwar Belgien, Fabianreich und einige Großstädte anbot, aber keine Orte, die in der Nähe lagen. Sie brauchten eine bessere Karte. Sonja lief ins Wohnzimmer, wo ihre Eltern Scrabble spielten.
    »Nein«, sagte die Mutter gerade, »Glühwein schreibt man nicht mit Q und Ypsilon. Das lasse ich dir nicht durchgehen, egal wie viele Punkte das gibt … Sonja? Was ist?«
    »Mama, kann ich eine Landkarte haben, so von hier bis Aachen?«
    Jetzt blickte auch ihr Vater auf. »Wofür brauchst du denn eine Karte?«
    »Wir wollen nur was nachgucken.«
    »Im Schrank«, sagte die Mutter. »Bleibt dieser Junge eigentlich heute Nacht hier? Und erfahre ich das auch irgendwann? Es ist nämlich schon fast zehn, falls ihr das nicht gemerkt habt.«
    Sonja erschrak. Dass Melanie bei ihr übernachten würde, hatten sie schon mittags ausgemacht, aber an Darian hatte sie gar nicht gedacht. »Ich –«
    »Ich finde das ja etwas plötzlich«, sagte der Vater und grinste. »Bis gestern hörte ich bloß ›Pony‹ hier und ›Pferd‹ da – und dann bringt meine Tochter auf einmal irgendwelche wildfremden Jungs mit nach Hause.«
    Sonjas Wangen fühlten sich plötzlich ganz heiß an. »Dasist es nicht! Darian ist bloß – also – er hilft uns bei etwas!«
    »Bei den Hausaufgaben? Um diese Zeit? Seit wann macht ihr an einem Samstagabend Hausaufgaben?«
    »Nein, er – wir –«
    »Ist ja auch nicht so wichtig«, sagte ihre Mutter. »Also bleibt er über Nacht? Was ist mit seinen Eltern, soll ich sie anrufen?«
    »Äh – die wissen schon Bescheid.«
    »Wie schön. Na gut, er kann in Philipps Zimmer schlafen, aber sag ihm bitte, dass er nichts anfassen soll. Gute Nacht.« Ihr Blick fiel wieder auf das Scrabblebrett. »Sag mal, Klaus, wo kommt denn bitte plötzlich dieses ›Üwöxlyq‹ her?«
    Sonja war entlassen. Hastig kramte sie die Karte aus dem Schrank und flüchtete

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