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Der Schwur

Der Schwur

Titel: Der Schwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Vollenbruch
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liebevoll ins Haar und hielt geduldig still, als sie sein weiches Maul streichelte.
    Aber etwas stimmte nicht. Da war Nebel. Und in dem Nebel bewegte sich etwas, das aussah wie eine dürre, menschenähnliche Gestalt in einem langen weißen Gewand. Es kam näher und Nachtfrost bemerkte es nicht. Es streckte die langen, spinnenbeindünnen Arme aus …
    Sonja fuhr schlotternd und schweißgebadet hoch. Ihr Herz schlug bis zum Hals. Da war kein Nebel. Kein Einhorn. Nur ihr eigenes Zimmer, das still im gelblichen Licht der Straßenlaterne lag, und Melanie, die ruhig schlief.
    Was für ein scheußlicher Traum! Was für ein ekliges, fieses weißes Ding! Am besten machte sie die Augen gar nicht mehr zu. Wie spät war es denn überhaupt? Sie zog den Wecker zu sich heran. Halb eins … und in der Wohnung war es ruhig. Also schliefen die Eltern jetzt auch.
    Sie drehte sich zu Melanie um und flüsterte: »Melanie! Wach auf!«
    Melanie brummte etwas und drehte sich auf die andere Seite. Es dauerte eine Weile, bis sie endlich wach wurde, aber dann stand sie rasch auf. Sonja huschte hinaus auf den Flur, lauschte an Philipps Zimmertür und schob sie vorsichtig auf.
    »Darian?«, flüsterte sie.
    »Ich bin wach«, kam die leise Antwort aus der Dunkelheit. »Ich komme.«
    Nach ein paar Minuten schlichen die drei Verschwörer zur Wohnungstür. Sonja löste die Kette und zog die Tür auf, und sie huschten hindurch, die Treppen hinunter und in den Fahrradkeller. Dort holten sie ihre Räder heraus, und Sonja klaute noch zusätzlich das Fahrrad ihrer Schwester Corinna, das in einer Ecke vor sich hinstaubte.
    »Du nimmst meins«, sagte sie zu Darian. Sie schoben alle drei Räder bis auf den Feldweg, der zum Waldhof führte, und dort lernte Darian Fahrradfahren.
    »Also«, sagte Sonja. »Du setzt dich einfach auf den Sattel, stößt dich ab und fährst.«
    »Einfach«, wiederholte Darian. »Also gut … ich glaube, ich bin dieser Aufgabe gewachsen, sobald ihr mir den Zauber verratet, der bewirkt, dass das Ding nicht umfällt.«
    Melanies Kichern verwandelte sich in ein Prusten.
    »Was ist daran so lustig?«
    »Gar nichts!« Unschuldig riss Melanie die Augen auf. »Aber ist ja gut, du hast recht, es ist der mächtige Gleichgewichtszauber, den nur Sonja und ich beherrschen. Aber wir werden ihn gnädigerweise auf dich anwenden. Hokuspokus simsalabim, dreimal schwarzer –«
    »Hör doch mit dem Quatsch auf, Melanie!«, rief Sonja wütend. »Darian, es ist kein Zauber! Es hat etwas mit Physik zu tun, aber ich weiß nicht genau, was. Jedenfalls keine Magie. Wenn du fährst, fällst du nicht um – nur beim Stehenbleiben musst du dich abstützen. Guck, so –« Sie stieß sich ab und fuhr eine Runde um Darian herum. »Siehst du? Keine Magie!«
    Darians Gesichtsausdruck war schwer zu deuten. Doch schließlich gab er sich und dem Fahrrad einen Ruck, seineFüße zappelten durch die Luft auf der Suche nach den Pedalen. Doch als sie sie schließlich fanden, war es schon zu spät, und Darian kippte samt dem Fahrrad um.
    So würdevoll wie möglich stand er auf und klopfte sich den Dreck von der Hose. »Kein Wunder, dass das nicht geht. Euer Fahrrad ist nichts anderes als ein totes Pferd. So tot wie fast alles in eurer Welt. Ich bin mit lebenden Dingen aufgewachsen; ich weiß nicht, wie man auf etwas Totem reitet.«
    »Kann schon sein«, sagte Sonja. »Aber lernen musst du es trotzdem, sonst stehen wir nämlich morgen noch hier. Und dafür ist es mir zu kalt!« Dann fiel ihr ein, wie er sie dazu gebracht hatte, das Amulett ernsthaft zur Suche zu gebrauchen. »Willst du mitkommen oder nicht?«
    Darian zog scharf den Atem zwischen den Zähnen ein. Aber dann lächelte er plötzlich und war wieder ganz der Prinz. »Du lernst jedenfalls schnell.«
    Er hob das Fahrrad auf und versuchte es noch einmal. Zuerst legte er noch einige spektakuläre Stürze hin und schlug sich dabei böse die Knie auf, aber nach einer halben Stunde gelang es ihm, eine sehr wacklige Acht zu fahren und dabei den Lenker nicht zu weit herumzureißen. Sie beschlossen, dass das ausreichte, um zehn Kilometer durch die Nacht zu fahren. Sonja holte die Karte heraus, Melanie die Taschenlampe, und dann machten sie sich auf den Weg.
    Es war keine gute Nacht, um herumzufahren. Der Herbst machte sich inzwischen unangenehm bemerkbar, es war kalt und feucht, das Laub häufte sich auf den Straßen, und der Wind schnitt den drei Abenteurern durch die Jacken bis auf die Haut. Außerdem waren Sonja und

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