Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
entfuhr es dem Scout, doch setzte er schnell hinzu: »Das ist genau der Weg, welchen wir einschlagen müssen! Mein rother Bruder hat uns durch seine Mittheilung außerordentlich erfreut, und ich bin ganz glücklich, den ›weißen Biber‹ wieder sehen zu können. Jetzt aber werden wir uns zur Ruhe begeben, um zeitig munter zu sein.«
    »So werde ich meinen Brüdern selbst den Platz anweisen, an welchem sie sich niederlegen sollen.«
    Er stand auf und führte uns zu einem starken, dicht belaubten Baume, unter welchem wir schlafen sollten. Dann ließ er unsere Sättel herbeiholen und die Decken dazu. Er war ein ganz Anderer geworden, seit er das Calummet mit uns geraucht hatte. Als er wieder fort war, untersuchten wir die Satteltaschen. Es fehlte uns nicht der geringste Gegenstand, was ich sehr anerkennenswerth fand. Wir machten die Sättel zu Kopfkissen und legten uns neben einander, uns in die Decken hüllend. Bald kamen die Comanchen auch, und wir bemerkten trotz der Dunkelheit, daß sie, sich zur Ruhe legend, einen Kreis um uns bildeten.
    »Das darf keinen Verdacht bei uns erwecken,« meinte Old Death. »Sie thun das, um uns in ihren Schutz zu nehmen, nicht aber, um uns etwa an der Flucht zu verhindern. Hat man einmal mit einem Rothen die Friedenspfeife geraucht, so kann man sich auf ihn verlassen. Wollen indessen sehen, daß wir von ihnen fort kommen. Habe ihnen einen tüchtigen Bären aufgebunden wegen Winnetou, denn ich mußte sie von seiner Fährte wegbringen. Aber ich calculire, daß es ihm sehr, sehr schwer geworden sein wird, über den Rio grande zu kommen. Ein Anderer brächte es nicht fertig. Ihm allein traue ich es nicht zu. Aber doppelt bedenklich ist die Sache, da er einen Verwundeten mit hat. Zu solchen Berathungen werden gewöhnlich die erfahrensten Leute gesandt. Darum calculire ich, daß der Mann alt ist. Rechnen wir das Wundfieber dazu, welches er, besonders bei so einem Parforceritte bekommen muß, so ist es mir um ihn und Winnetou himmelangst. Na, wollen wir schlafen. Gute Nacht!«
    Er wünschte gute Nacht! Ich fand sie aber nicht, denn von Schlaf war bei mir keine Rede. Wer sich einmal die Schenkel bis an das Knie aufgeritten hat, so daß die Lederhose am wunden Fleische anklebt und noch dazu die schöne Aussicht hat, am nächsten Tage einen Ritt von fünfzig Meilen durch glühendes, wüstes Land machen zu müssen, der dürfte wohl nicht geträumt haben, daß er bei einem Glase Sect und mit einer Nummer des »Deutschen Hausschatzes« in der Hand im Schaukelstuhle sich wiege. In Folge dessen war ich schon munter, oder vielmehr noch immer munter, als sich der Osten zu lichten begann. Ich weckte die Gefährten, wobei meinerseits wohl ein wenig Bosheit mit im Spiele war. Hatte ich nicht schlafen können, sollten auch sie wach werden. Sie erhoben sich völlig geräuschlos, aber sofort standen auch sämmtliche Indianer um uns. Jetzt am Tage waren die Rothhäute besser zu betrachten als am Abend beim Scheine des spärlichen Feuers. Es überkam mich eine Art von Gruseln, als ich die abscheulich bemalten Gesichter und die abenteuerlich gekleideten Gestalten erblickte. Nur wenige von ihnen hatten ihre Blöße vollständig bedeckt. Viele von ihnen waren mit armseligen Lumpen behangen, welche von Ungeziefer zu strotzen schienen, aber Alle waren starke, kräftige Gestalten, wie ja grad der Stamm der Comanchen als derjenige bekannt ist, welcher die schönsten Männer hat. Von den Frauen darf man in dieser Beziehung freilich nicht reden. Die Squaw ist die verachtete Sklavin des Rothen. Sie darf nicht einmal mit ihm essen, sondern muß sich mit dem begnügen, was er übrig läßt, und alle Arbeit, selbst die schwerste ruht auf ihr. Der Mann lebt nur für die Jagd und den Krieg.
    Der Häuptling fragte uns, ob wir »speisen« wollten, und brachte uns wirklich einige Stücke sehniges Fleisch, welches vom Pferde stammte und »zugeritten« war. Wir dankten unter dem Vorgeben, daß wir noch mit Vorrath versehen seien, obgleich derselbe nur noch aus einem ziemlich kleinen Stücke Schinken bestand. Auch den Mann, welcher uns begleiten sollte, stellte er uns vor, und es bedurfte keiner geringen diplomatischen Kunst des Scout, ihn davon abzubringen. Er verzichtete endlich darauf, als der Alte ihm erklärte, daß es eine Beleidigung für solche weiße Krieger sei, ihnen einen Führer mitzugeben. Das thue man Knaben oder unerfahrenen und ungeschickten Männern. Wir würden die Schaar des »weißen Bibers« schon zu finden

Weitere Kostenlose Bücher