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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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aber um dies zu unternehmen, mußte man geradezu Todesverachtung besitzen.
    Wir ritten jetzt am Rande des Kraters hin und dann auf der Außenseite desselben wieder hinab, bis wir zu dem erwähnten Ausflusse gelangten. Hier in dieser Felsenspalte gab es Raum nur für einen einzelnen Reiter, da der übrige Teil der Sohle von dem Abflusse des Sees eingenommen wurde, der gleich einem Bache dahinfloß und ein dunkles, fettes, ölhaltiges Wasser besaß.
    Als sich vor uns der Krater öffnete, erblickten wir einige schmale, lange und sehr seichte Kähne, welche jedenfalls dazu dienten, die gefüllten Petroleumfässer nach dem Shayan zu bringen, wo sie dann auf größere Boote verladen wurden, um nach dem Missouri hinabzugehen.
    Uns links wendend, kamen wir zu den oben angegebenen Anlagen, wo wir von den da beschäftigen Arbeitern mit Staunen betrachtet wurden. Ein Indianerhäuptling war hier am See wohl noch nie gesehen worden, wenigstens so lange die Oelkolonie bestand. Ich fragte nach Mr. Wittler und erfuhr, daß das massive Steingebäude sein Wohnhaus und zugleich Kontor sei. Wir ritten darauf zu, längs des Ufers hin.
    Der See schien sehr tief zu sein und in seinem öligen Wasser kein lebendes Wesen zu beherbergen. So ziemlich in seiner Mitte ragte eine Insel hervor, auf welcher sich, von allerlei Gebüsch umgeben, ein zwar nur aus rohen Balken erbauter aber hübscher Pavillon erhob. Daß dieses Häuschen fleißig besucht oder benutzt wurde, bewiesen drei Kähne, welche am Ufer lagen.
    Die Zahl der Arbeiter, welche hier angestellt waren, schien nicht sehr beträchtlich zu sein, aber es waren lauter halb wilde, kräftige Gestalten, welche schon etwas vor sich bringen konnten. Man sah uns vom Hause aus kommen, und unter der Thür trat uns ein Mann entgegen, in dessen Gesicht mehr Gutmütigkeit und Offenheit lag, als es sonst bei den Yankees der Fall zu sein pflegt.
    »Ist Mr. Wittler zu sprechen, Sir?« fragte ich.
    »Ja, ich bin es selbst,« antwortete er. »Ihr seid Jäger und sucht ein Obdach? Tretet ein und seid mir willkommen!«
    »Ihr irrt, Sir,« sagte ich, vom Pferde steigend. »Zwar sind wir Jäger, aber dem Westmann ist’s in der Stube und Kammer zu eng; er braucht kein Obdach. Wir kommen vielmehr in einer für Euch wichtigen Angelegenheit.«
    »Ah, eine Geschäftssache, Sir? Und dieser Indsman ist Euer Führer zu mir gewesen?«
    »Nein, auch das nicht. Wir sind lediglich gekommen, um Euch vor einem großen Unglück zu warnen, welches Euch bedroht.«
    »
Heigh-ho!
Ist’s wahr? Ein Unglück? Bitte, tretet ein, Mesch’schurs; ich stehe Euch sogleich zu Diensten!«
    Ich folgte seiner Einladung, Winnetou aber, der im Sattel geblieben war, hatte sich den Oelprinzen scheinbar gar nicht angesehen; er ritt jetzt weiter, immer am Ufer hin.
    »Warum reitet Euer Begleiter fort, Sir?« fragte Wittler. »Will er nicht mit hereinkommen?«
    »Laßt ihn, Sir! Er will sich den See und seine Ufer ansehen und hat eine sehr dringende Veranlassung dazu, von der Ihr sogleich hören werdet. Die Absicht, welche er hegt, ist Euch zum Nutzen.«
    Er führte mich in diejenige Abteilung des Hauses, welche als Kontor diente, und lud mich ein, Platz zu nehmen. Ich that es; er setzte sich mir gegenüber und sagte:
    »Verzeiht, daß ich mich nicht sofort gastlich zeige! Aber Ihr redet von einem Unglücke, und das muß ich erst hören, ehe ich Euch den Meinigen vorstelle.«
    »Ihr thut ganz recht, Sir,« antwortete ich, indem ich den Gürtel öffnete und das weiter oben erwähnte Notizbuch hervorzog. »Sind nicht schon vier Fallensteller eingetroffen, welche vorigen Winter bei Euch blieben?«
    »Ah, Brandes mit seinen Kameraden! Nein. Wollen sie zu nur? Was ist’s mit ihnen?«
    »Auch Sioux vom Stamme der Tetongs haben sich noch nicht sehen lassen?«
    »Nein. Mein Gott! Sollen wir von den Sioux überfallen werden?«
    »Nicht von ihnen, sondern von dem roten Olbers, Sir.«
    Er erbleichte und sprang auf. Er schien ein braver Mann aber nicht ein Held zu sein.
    »Ueberfallen! Vom roten Olbers!« rief er. »Was thue ich, was beginne ich?«
    »Beruhigt Euch, Sir,« sagte ich mit möglichstem Phlegma; »es ist noch nicht so weit. Sagt mir zunächst, ob Ihr vielleicht dieses Notizbuch kennt!«
    Er nahm es in die Hände und öffnete es. Ich sah, daß ein freudiger Schreck über sein Gesicht flog. Er holte tief Atem und rief:
    »Gott sei Dank, endlich, endlich eine Nachricht! Das Buch gehört meinem Bruder. Warum schickt er es mir? Warum kommt er nicht

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