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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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welchem aber auch das Skalpmesser, der glänzende Tomahawk und zwei Revolver steckten. Eine Wildlederhose, welche sich eng um seine muskulösen Schenkel legte, war an den Seiten mit den Skalplocken getöteter Feinde geschmückt. Das vorn offene Jagdhemd, aus dem feinsten Rehleder bereitet, trug denselben Schmuck. Gamaschen, deren Zeug aus den Haaren der von ihm Erlegten geflochten war, bedeckten seine Unterschenkel, und an den Füßen saßen ein Paar Mokassins, an welchem eine fleißige indianische Squaw sicherlich monatelang gearbeitet hatte. Von den Schultern hing der aus dem schweren Felle eines grauen Bären gefertigte Mantel herab. Um den Hals hing an einer aus Bärenzähnen bestehenden Kette das Kallummet. Sein Kopf war unbedeckt, und das Haar war zu einer helmartigen Frisur geordnet, in welcher die drei Häuptlingsfedern steckten. Um seine Hüften hing das unzerreißbare Lasso, und in der Faust hielt er seine kostbare, silberbeschlagene Büchse, aus welcher, von seiner Hand geschossen, noch niemals eine Kugel fehlgegangen war. Seine Stirn war hoch, seine Nase fast römisch zu nennen, und die fast unmerklich hervortretenden Backenknochen vermochten nicht, dem männlich schönen, ernsten und dabei doch wohlwollenden Ausdruck seines Gesichtes Eintrag zu thun.
    Das war Winnetou, der berühmteste Häuptling der roten Männer, der aber dennoch niemals einen Stamm befehligte, sondern einsam oder nur mit einem Freunde die Savannen und Gebirge durchritt, um zu zeigen, daß auch ein Indianer ein Held und Mensch sein kann.
    Er nahm an meiner Seite Platz, und ich bot ihm eine der Zigarren an, welche ich mir im Fort gekauft hatte. Kein Pariser Elegant hätte dieselbe mit größerer Zierlichkeit zum Munde führen und anrauchen können.
    »Mein Bruder Schar-lih ist wieder gesund?« fragte er.
    »Ja, gesund und reich. Ich habe für die Felle über zweihundert silberne Dollar erhalten; sie befinden sich in meinem Gürtel.«
    »Sie sind dein! Winnetou braucht keine Dollar. Er weiß, wo das Gold und das Silber in der Erde wächst. In welcher Richtung will nun mein Bruder jagen?«
    »Nach dem Shayan hin; ich will einen Dieb und Mörder jagen. Geht mein Bruder Winnetou mit?«
    »Winnetou ist da, wo sein Bruder Schar-lih ist. Wer ist der Mörder?«
    »Es ist der Mörder der fünf Männer, welche wir vor vier Wintern am Hellgate-Paß begruben.«
    Das war sicher auch für ihn eine überraschende Kunde, aber seine Züge blieben unbeweglich; er war ein Indianer durch und durch.
    »Mein Bruder Schar-lih erzähle!« sagte er.
    Auch ich war gewohnt, mit ihm einsilbig zu verfahren; vielleicht hatte grade dies mir seine so ungewöhnliche Zuneigung erworben. Ich berichtete also in kurzen Worten nur das, was nötig war. Er hörte wortlos und ohne eine Miene zu verziehen zu und rauchte dann höchst gemächlich seine Zigarre zu Ende. Dann erhob er sich.
    »Hat mein Bruder Patronen mitgebracht?« fragte er endlich.
    »Genug,« antwortete ich kurz.
    Da erhob er sich, warf die Büchse am Riemen über die Schulter und bestieg sein Pferd. Ich that ganz dasselbe. Er lenkte direkt in das Wasser, und nun erst bemerkte ich, daß hier eine Furt vorhanden sei. Hinter seinem Sattel war ein runder, von abrasiertem Hirschleder umgebener Pack aufgeschnallt; er enthielt das Fleisch, welches der Apache vorhin geschossen hatte, und so waren wir mit allem Nötigen versorgt.
    Wir verstanden einander, ohne ein Wort zu sprechen. Winnetou war eben jetzt nach dem Shayansee aufgebrochen, das war seine Antwort auf meine Erzählung. Auf ihn konnte ich mich verlassen; er kannte das ganze Gebirge, von Mexiko an bis hinauf zum Frazerflusse.
    Wir ritten der Grenze zwischen Wyoming und Nebraska entgegen. Es war ein böser Weg, quer über die schwarzen Berge hinüber, besonders als es dunkel wurde und der Apache noch immer keine Neigung zeigte, zur Nachtruhe anzuhalten.
    Mein Mustang war ermüdet, aber er hielt gut aus, bis endlich Winnetou spät am Abend vom Pferde stieg und selbst das Feuer anbrannte, um das Fleisch nach seiner indianischen Weise zu bereiten. Da er der Nachtwache mit keinem Worte erwähnte, so glaubte ich, daß er die Gegend für sicher halte, und legte mich, als er wortlos zur Ruhe ging, neben ihm zum Schlafe nieder.
    Am andern Morgen wurde der Weg fortgesetzt, immer durch unwirtliche Gegenden. Ich merkte, daß der Apache die einsamsten Striche aufsuchte, damit ja kein Mensch von unsrer Wanderung nach dem See von Shayan etwas bemerke. Es mußte ihn doch

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