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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Sattel, das andere unter dem Bauche und den Arm im Halsriemen des Tieres. Sein Ohr horchte auf den Hufschlag vor uns, und sein Auge war scharf auf den Boden gerichtet. Auch ich ließ die Bügel fahren, schob den Arm in den Riemen und nahm also ganz dieselbe Stellung ein wie Winnetou, nur er auf der rechten und ich auf der linken Seite unserer Pferde. Auf diese Weise konnte uns keine Spur entgehen.
    So jagten wir fort, bis mir plötzlich auf meiner Seite ein Abdruck im moosigen Boden auffiel. Ich riß mein Pferd zur Seite.
    »
Ni sisi
– halt an!« rief ich, indem ich mein Pferd zum Stehen brachte.
    Im Nu war auch Winnetou von dem seinigen herab und stand an meiner Seite.
    »
Ti teshi ni utsage
– was siehst du hier?« fragte er.
    Ich warf einen forschenden Blick zwischen die links von uns stehenden Sträucher und war mir sofort im klaren.
    »Sieh hier die tiefen Eindrücke zweier Absätze!« sagte ich. »Er ist mitten im Galopp vom Pferde gesprungen. Er hat das Tier aufgegeben, um sich zu retten. Er hat geglaubt, daß wir diesem folgen werden und nicht ihm. Hier ist er in das Gesträuch hinein. Er wird sich nach dem Bache wenden, um im Wasser seine Spur unsichtbar zu machen und dann, sobald er sich sicher fühlt, das Ufer wieder zu betreten.«
    Der Apache bückte sich nieder, untersuchte die Spur, sagte sein halblautes, zustimmendes »Howgh!«, bestieg dann sein Pferd wieder und ritt nach links hinüber und grad auf das Wasser zu. Ich folgte ihm, und wir ritten in die dunkle Flut hinein, welche uns noch nicht bis an die Steigbügel ging.
    »
Shi ti ni, akayia
– ich hier, du dort!« sagte Winnetou.
    Er wollte das rechte und ich sollte das linke Ufer im Auge behalten. So wateten wir den Bach hinab. Unserm Auge durfte kein Zweig, kein Grashalm, kein Sandkorn entgehen. Wie sich nach ungefähr zehn Minuten zeigte, ritt ich auf der Seite, auf welcher unsere Aufmerksamkeit belohnt wurde: ungefähr zwei Schritte vom Ufer entfernt, hatte irgend ein Zufall einen Zweig geknickt, der noch am Aste hing; infolgedessen waren seine Blätter verdorrt, aber trotzdem waren sie naß.
    »Halt, hier!« sagte ich, indem ich an das Ufer sprang, aus Vorsicht aber das Pferd noch im Wasser ließ.
    Ich betrachtete den Boden und fand, daß das Gras niedergetreten, aber mit der Hand künstlich wieder aufgerichtet worden war.
    »Hier ist er an das Ufer gegangen. Er hat das Wasser von der Lederhose geschüttelt, und dabei sind diese Blätter naß geworden. Seine Fußspur hat er auszuwischen versucht.«
    Winnetou fand, daß ich recht hatte; er schritt wieder voran. Seinem scharfen, geübten Auge konnte die Fährte nicht entgehen, obgleich sie möglichst unkenntlich gemacht worden war. Aus dem letzteren Grunde mußten wir, um die Spur nicht zu verlieren, die Pferde führen. Das war höchst beschwerlich und zeitraubend. Olbers hatte sich immer die Stellen herausgesucht, an denen eine Spur nicht haftete. So kamen wir nur ganz und gar langsam vorwärts, während er wenigstens fünfmal so schnell gegangen war.
    Die Eindrücke seiner Füße führten uns in einem weiten Halbkreise um den See herum, nach der östlichen Seite desselben. Wir kamen wieder auf die Höhe, wo das Buschwerk bedeutend lichter stand. Hier hatte er gemeint, weniger vorsichtig sein zu dürfen, und so stiegen wir wieder zu Pferde; seine Spur war deutlich zu sehen.
    Dadurch konnten wir das Versäumte einigermaßen nachholen. Es mochten seit unserem Aufbruche aus dem Oelthale drei Stunden vergangen sein, als wir uns höchstens zwei englische Meilen von demselben entfernt befanden. Da lief die Fährte, der wir folgten, in einen ziemlich großen, freien Grasplatz aus, welcher ganz von Pferdehufen zertreten war. Hier hatten seine Leute auf ihn gewartet.
    Eine kurze Untersuchung brachte uns in die Richtung, in welcher sie davongeritten waren; sie führte nach Osten. Sollten sie ihr Vorhaben aufgegeben haben und nicht mehr an den Ueberfall denken? Wir mußten uns überzeugen. In diesem Falle kehrten auch wir nicht nach dem See zurück, wenigstens nicht bevor wir Olbers ergriffen hatten; das verstand sich ganz von selbst.
    So verging der Nachmittag, und der Abend dunkelte bereits herein. Da bog sich die Fährte plötzlich nach Nord und nach fünf Minuten gar wieder nach West zurück. Ich erschrak. Die tiefen Hufeindrücke bewiesen, daß die Buschheaders von jetzt an ein rascheres Tempo eingeschlagen hatten.
    »Uff!« rief Winnetou. »Was denkt mein Bruder Schar-lih jetzt?«
    »Sie haben

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