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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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der Höhen, und nun konnte ich meine Schnelligkeit verfünffachen. Noch am Vormittage erreichte ich die Wasserscheide, und gegen Mittag hatte ich den oberen Lauf des Tonque vor mir.
    Nun galt es, Winnetou zu finden. Das scheint schwerer zu sein, als es eigentlich war. Wir hatten uns schon öfters getrennt und doch selbst in der felsigsten Einöde, im tiefsten Urwalde wiedergefunden. Wir hatten unsere Zeichen, die kein anderer bemerken konnte.
    Ich ritt das Wasser entlang und beobachtete die in demselben liegenden Steine. Da, bereits nach einer Viertelstunde, bemerkte ich zwei neben einander im Wasser liegende Kiesel, zwischen denen drei dünne Zweige eingeklemmt waren; zwei waren kahl, und der dritte hatte seine Seitenästchen und Blätter noch. Die Spitze zeigte aufwärts. Das war eines unsrer Zeichen. Winnetou hatte es errichtet. Die Spitze des belaubten Zweiges sagte mir, wohin er geritten sei, und die beiden andern Zweige zeigten genau gegen den Punkt des Himmels, wo die Sonne zu der Zeit gestanden hatte, an welcher er das Zeichen errichtete. An der Frische der Blätter konnte ich den Tag, ob heute, gestern oder noch eher, erkennen.
    Auf diese Weise erfuhr ich, daß der Apachenhäuptling heute vormittag um neun Uhr hier gewesen sei. Da er hier nicht nötig zu haben glaubte, seine Fährte zu verwischen, so fand ich sehr bald die Spur seines Pferdes und folgte derselben. Ich fand den Ort, an welchem er in der heißesten Tagesstunde geruht hatte, und da stak auch das sichere Zeichen, daß er hierher zurückkehren werde, um sein Nachtlager hier aufzuschlagen. Dieses Zeichen bestand einfach aus einem kleinen, dünnen Pulverholzästchen, welches mit dem einen Ende im Boden steckte. Es konnte dazu jede Holzart, Holunder etc. etc. benutzt werden, deren Mark sich leicht entfernen läßt. Das sah so zufällig aus, daß der erfahrenste Trapper, der scharfsinnigste Wilde nicht auf den Gedanken gekommen wäre, hier vor einer deutlich lesbaren Schrift zu stehen. Auf solche Weise beherrscht man die öde Llano, die weite Prärie, das wilde Gebirge und den dichten Urwald. Durch solche unscheinbare Mittel sind Männer wie Winnetou, Old Fireland, der lange Hilbers, Fred Walker, Sam Hawkens und andere zu ihrer Berühmtheit gekommen. Ich kannte sie alle und hatte von ihnen viel, ja alles gelernt. Es ist mit dem wilden Westen wie mit dem Wasser: man darf nicht zagen, man muß sich, um schwimmen zu lernen, mutig hineinstürzen; es trägt den Menschen von selber, und die Lehrlingszeit vergeht um so schneller, je größeren Eifer man der Uebung widmet.
    Ich hobbelte mein Pferd an, ließ es grasen und legte mich nieder. Dies war noch nicht lange geschehen, so hörte ich in der Ferne den Knall einer Büchse. Das war der scharfe, sonore Ton, den nur Winnetous mit Silbernägeln beschlagenes Gewehr hervorbrachte. Für den Laien ist es fast unbegreiflich, daß zwei Jäger einander an dem Knalle ihres Gewehres erkennen sollen; aber wer jahrelang die Stimme einer Büchse gehört hat, der weiß dieselbe von dem Tone eines jeden andern Gewehres zu unterscheiden.
    Ich zog sofort meine Büchse hervor und feuerte sie ab; ich war überzeugt, daß Winnetou ihren Knall auch sofort erkennen werde. Ich hatte mich nicht getäuscht, denn bereits nach zehn Minuten hörte ich den nahenden Galopp eines Pferdes und dann hielt der berühmte Häuptling der Apachen vor mir.
    »
Ni ti, Schar-lih? Nsho-peniyil! Shi mazakan ni yaltile
– Du hier, Schar-lih? Willkommen! Ich hörte deine Büchse sprechen.«
    Schar-lih, so sprach er nämlich meinen englischen Vornamen Charles oder Charley aus. Er sagte seine Worte in einem Tone und mit einer Miene, als ob wir uns erst vor fünf Minuten getrennt hätten und uns an einem Orte befänden, wo gar keinerlei Nachdenken erforderlich ist, sich wieder zu treffen.
    Er sprang aus dem Sattel, ließ sein Pferd frei laufen und stand nun vor mir als das Prachtexemplar eines Indianers.
    In den Augen eines Westmannes hatte er allerdings den Fehler, der auch an mir so oft getadelt worden war: er vernachlässigte sein Aeußeres nie. Die Wildnis war nie im stande, seinen Anzug so zu beschmutzen und seine Waffen so zu berosten, wie es bei andern geschieht. Seine breiten Schultern und seine starke, mit Narben bedeckte Brust waren ganz nackt. Um die Hüften trug er als Shawl eine Santillodecke, über welcher ein wasserdichter Ledergürtel lag, dessen Inneres gleich demjenigen des meinigen zur Aufbewahrung wertvoller Kleinigkeiten diente, in

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