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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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selbst?«
    »Weil er nicht kann; er ist tot.«
    Ich hielt es für überflüssig, ihn auf diese Nachricht erst vorzubereiten, wie ich es bei einer Dame gethan hätte; er war ja ein Mann. Aber dennoch traten ihm sofort die Thränen in das Auge.
    »Tot!« sagte er. »Also doch!«
    »Ja. Setzt Euch wieder nieder, Sir, und hört mir zu! Ich und der Indianer, welcher jetzt mit mir gekommen ist, wir haben ihn begraben, ihn und seine unglücklichen Gefährten.«
    Ich erzählte ihm jenes Ereignis am Hellgate-Paß und lenkte dann gleich, um alle Klagen abzuschneiden, seine Aufmerksamkeit auf die Gegenwart, indem ich ihm sagte, daß ich in Fort Cast mit dem Mörder zusammengetroffen sei, und ihm dann das Weitere auseinandersetzte. Er vergaß auch wirklich die Trauer über den Tod des Bruders und dachte nur an die Gefahr, welche ihm drohte.
    »Also dieser Olbers kommt wirklich?« fragte er entsetzt.
    »Ich bezweifle es gar nicht. Die geraubten Nuggets sind alle; seine späteren Schandthaten haben ihm nichts eingebracht, und nun will er Euch besuchen, da er Reichtümer bei Euch vermutet.«
    »So muß ich sofort alles verstecken, alles, hinunter in den Keller; der ist sogar feuerfest!«
    »Zunächst müßt Ihr wohl daran denken, Vorbereitungen zu treffen, den erwarteten Angriff abzuschlagen. Haben Eure Arbeiter Waffen?«
    »Alle!«
    »Nun, so ist ja gar nicht viel zu befürchten! Ihr seid gewarnt und könnt diese Buschheaders also gehörig heimschicken.«
    »O, davon verstehe ich nichts. Nur keinen Kampf! Können wir sie denn nicht mit List von uns abhalten, Sir?«
    Ich zuckte die Achseln.
    »Dazu reicht meine List nicht aus, Mr. Wittler. Ihr werdet kämpfen müssen, und ich bin bereit, Euch beizustehen. Mein Begleiter ist der berühmte Apachenhäuptling Winnetou. Er nimmt zehn solcher Buschklepper auf sich, zumal bei einem nächtlichen Kampfe, wie er ja zu erwarten ist; ich habe auch gelernt, mich meiner Haut zu wehren, wenn es not thut; rechnet Ihr dazu Eure Arbeiter, welche ja gar nicht wie Memmen aussehen, so bleibt für Euch nichts übrig als das bloße Zusehen oder Abwarten.«
    »Ich bin Euch dankbar, Sir, sehr dankbar!« sagte er im Tone der Erleichterung. »Ich ersuche Euch, den Oberbefehl über meine Leute zu übernehmen. Sie werden Euch gern gehorchen.«
    Das war ja für mich sehr ehrenvoll! Ich, der Unbekannte, sogleich General
en chef!
    »Es handelt sich hier wohl weniger um einen Oberbefehl als um ein energisches Zusammenwirken. Wir werden noch darüber sprechen; jetzt aber bitte ich Sie, mich den Gliedern Ihrer Familie vorzustellen, obgleich ich leider keinen Frack anlegen kann.«
    Ich fand in Mrs. Wittler und Mrs. Helming zwei Damen, welche mehr Energie zu besitzen schienen als der Oelprinz, von dem es mich übrigens wunderte, daß er es bei seinem Abscheu vor einem Kampfe gewagt hatte, sich hier am Shayansee niederzulassen. Die Kinder, zwei Knaben und ein Mädchen, freuten sich königlich, einmal einen Fremden zu sehen, und ich hatte ihnen hundert Fragen zu beantworten, entzog mich aber dann ihrer Wißbegierde, um Winnetou aufzusuchen und zugleich Wittler Gelegenheit zu geben, den Damen mitzuteilen, was er von mir erfahren hatte.
    Ich hatte mich doch weit über eine Stunde mit der Familie beschäftigt, und der Apache hatte Zeit gefunden, um den See zu galoppieren. Ich sah ihn eben über ein hohes Felsenstück, welches im Wege lag, voltigieren; er hielt es gar nicht für der Mühe wert, es zu umreiten. Als wir zusammentrafen, meinte er:
    »Alle müssen sterben! Man besetzt den Ausgang, sobald die diebischen Bleichgesichter hereingekommen sind. Sie können in der Nacht nicht an den Felsen empor und werden von unsern Kugeln gefressen werden. Howgh!«
    Dieses letztere Wort pflegte er dann auszusprechen, wenn er eine Meinung bekräftigen wollte. Ich stimmte ganz seiner Ansicht bei, wollte aber nicht verabsäumen und machte also dieselbe Tour um den See wie er. Ich wurde dadurch nur in der Ansicht bestärkt, daß die Buschklepper verloren seien, wenn sie den Angriff wagten.
    Jetzt begab sich auch Winnetou mit in das Wohnhaus. Man hatte uns ein Mahl bereitet, wobei uns aber nur die Kinder Gesellschaft leisteten. Wittler und die Damen entschuldigten sich damit, daß sie zu beschäftigt seien. Sie schafften alles Wertvolle in den Keller. Jetzt lächelte ich über den Eifer, später aber sah ich ein, daß er von großem Nutzen gewesen war.
    Während des Mahles saß Winnetou so, daß er durch das Fenster blicken konnte. Er

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