Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
niederstürzten. Auch die Comanchen waren aufgesprungen und hatten ihre Pfeile den Kerls von der Seite zu-und in den Rücken geschickt. Ich sah nur noch, daß Gibson trotz seines auffordernden Rufes nicht mit auf uns eingedrungen war. Er stand noch am Feuer, hatte Ohlert’s Arm ergriffen und bemühte sich, ihn vom Boden empor zu zerren. Mein Auge konnte diese beiden nur für einen Augenblick erfassen. Weitere Beobachtungen waren unmöglich, denn das Geheul war schnell näher gekommen, und jetzt drangen die Apachen auf die Comanchen ein.
Da der Schein des Feuers nicht weit genug reichte, so konnten die Ersteren nicht sehen, wie viele Feinde sie vor sich hatten. Die Letzteren standen noch immer im Kreise, doch wurde dieser augenblicklich durchbrochen und durch den Anprall auf der einen Seite aufgerollt. Schüsse krachten, Lanzen sausten, Pfeile schwirrten, Messer blinkten. Dazu das Geheul der beiden gegnerischen Schaaren und der Anblick des Chaos dunkler, mit einander ringender Gestalten, welche das Aussehen wüthender Teufel hatten! Allen Apachen voran war einer mit gewaltigem Stoße durch die Linie der Comanchen gedrungen. Er hatte in der Linken den Revolver und in der Rechten den hoch erhobenen Tomahawk. Während jede Kugel aus dem ersteren mit Sicherheit einen Comanchen niederstreckte, sauste das Schlachtbeil wie ein Blitz von Kopf zu Kopf. Er trug keine Auszeichnung auf dem Kopfe, auch war sein Gesicht nicht bemalt. Wir sahen dasselbe mit größter Deutlichkeit. Aber auch wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, so hätte die Art und Weise, in welcher er kämpfte, und der Umstand, daß er einen Revolver hatte, uns errathen lassen, wer er sei. Der »weiße Biber« erkannte ihn ebenso schnell wie wir.
»Winnetou!« rief er. »Endlich habe ich ihn! Ich nehme ihn auf mich.«
Er sprang von uns fort und in das Kampfgewühl hinein. Die Gruppen schlossen sich so dicht hinter ihm, daß wir ihm nicht mit den Augen folgen konnten.
»Was thun wir?« fragte ich Old Death. »Die Comanchen erwarten natürlich von uns, daß wir uns am Kampfe gegen ihre Feinde betheiligen.«
Der Scout antwortete nicht sogleich. Er überflog den Kampfplatz mit prüfendem Blicke, und erst dann sagte er:
»Sie brauchen uns nicht. Die Apachen sind in der Minderzahl; sie werden aufgerieben werden, wenn sie sich nicht schnell davon machen. Gehen wir zu den Pferden, damit kein Stampedo entsteht.«
Unter Stampedo versteht man ein Scheuwerden oder auch absichtliches Scheumachen der Pferde, so daß diese fliehen. Wir waren gezwungen, einen weiten Bogen zu machen. Die Andern gingen viel schneller als ich. Ich konnte den Blick nicht von dem Kampfgewühl wegbringen. Ich hörte einen lauten Ruf. Einige Indianer lösten sich von der kämpfenden Menge, um zu fliehen. Es waren Apachen. Nicht aus Angst vor ihnen, sondern um ihnen nicht hinderlich zu sein, bog ich noch viel weiter aus, damit sie mich nicht sehen und dadurch etwa zu einem Umwege verleitet werden sollten. Sie rannten nach dem Ausgange des Thales zu und entkamen im Dunkel der Nacht. Andere folgten ihnen. Die Apachen hatten eingesehen, daß sie der Uebermacht nicht gewachsen seien. Sie brachen durch die Reihen der Comanchen, um zu fliehen. Ich hatte den Rand des Thales erreicht und schritt an demselben hin. So mußte ich unbemerkt zu den Pferden kommen. Da ertönte vom Kampfplatz her ein fürchterliches Geheul.
»Ihm nach, ihm nach!« hörte ich die Stimme des »weißen Bibers«. »Er darf uns nicht entkommen!«
Ich blieb stehen und blickte hinüber. Das Feuer war fast zertreten, dennoch sah ich, daß der Platz leer wurde, indem Alle nach dem Ausgange des Thales eilten. Jeder schrie aus Leibeskräften, so daß ein wahrhaft höllischer Lärm entstand. Da hörte ich eilige Schritte. Eine dunkle Gestalt tauchte grad vor mir auf, sprang augenblicklich auf mich ein und warf mich zu Boden. Der Mann kniete auf mir und legte mir die Hände um den Hals, so daß ich keinen Laut ausstoßen konnte. Ich bemerkte, daß es ein Indianer sei, wohl ein Apache, der hatte fliehen wollen und dabei auf mich gestoßen war. Er wollte mich erwürgen, ohne irgend ein Geräusch zu verursachen. Der Mann besaß eine ungeheure Körperstärke. Seine Finger lagen wie eiserne Klammern um meinem Halse. Nur List konnte mich retten. Ich machte einige convulsivische Bewegungen und streckte mich lang aus, wodurch in ihm der Glaube erweckt wurde, daß mir der Athem ausgegangen sei. Jetzt löste er seine rechte Hand von meinem Halse,
Weitere Kostenlose Bücher