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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wissen, daß ich sie durchschaut habe. Ich brauchte dem ›weißen Biber‹ nur ein einziges Wort zu sagen, so müßten sie eines gräßlichen Todes sterben. Daß ich das nicht thue, ist ihnen der sicherste Beweis, daß ich ihnen nicht nur nicht feindlich, sondern sehr freundlich gesinnt bin.«
    »So begreife ich nur Eins noch nicht, Sir. Ist es nicht Eure Pflicht, die Comanchen zu warnen?«
    »Hm! Ihr berührt da einen verteufelt heiklen Punkt. Die Comanchen sind Verräther und halten es mit Napoleon. Sie haben die unschuldigen Apachen mitten im Frieden überfallen und elendiglich hingemordet. Das muß nach göttlichem und menschlichem Rechte bestraft werden. Aber wir haben die Friedenspfeife mit ihnen geraucht und dürfen nicht an ihnen zu Veräthern werden.«
    »Da habt Ihr freilich sehr Recht. Aber meine ganze Sympathie gehört diesem Winnetou.«
    »Die meinige auch. Ich wünsche ihm und den Apachen alles Gute. Wir dürfen seine zwei Leute nicht verrathen; aber dann sind die Comanchen verloren, auf deren Seite wir auch stehen müssen. Was ist da zu thun? Wir befinden uns in einer schlimmen Lage.«
    »Könnten wir nicht Winnetou’s Ueberfall vereiteln, ohne seine beiden Leute zu opfern?«
    »Ich wüßte nicht, wie das anzufangen wäre. Ja, wenn wir Gibson und Ohlert hätten, so könnten wir unsers Weges ziehen und die beiden Feinde sich selbst überlassen.«
    »Nun, das wird ja morgen früh der Fall sein.«
    »Oder auch nicht. Es ist wohl möglich, daß wir morgen Abend grad um diese Stunde in den ewigen Jagdgründen sowohl mit Apachen wie mit Comanchen einige Dutzend Biber fangen oder gar einen alten Büffelstier tödten und verzehren.«
    »Ist die Gefahr so nahe?«
    »Ich denke es, und dazu habe ich zwei Gründe. Erstens liegen die nächsten Dörfer der Apachen nicht allzu weit von hier, und Winnetou darf doch die Comanchen nicht zu nahe an diese kommen lassen. Und zweitens führte dieser mexikanische Offizier Reden, welche mich irgend einen Streich für heute vermuthen lassen.«
    »Sehr wahrscheinlich. Wir können uns auf das Calummet der Comanchen und auch auf mein Totem verlassen, zumal Winnetou Euch kennt und auch mich bereits gesehen hat. Aber wer zwischen zwei Mühlsteine kommt, selbst wenn er von dem einzelnen Steine nichts zu befürchten hat, der wird eben zermahlen.«
    »So gehen wir entweder nicht dazwischen, oder wir sorgen dafür, daß sie nicht anfangen, zu mahlen. Wir recognosciren jetzt. Vielleicht ist es trotz der Dunkelheit möglich, irgend etwas zu sehen, was meinen Gedanken eine kleine Erleuchtung gibt. Kommt leise und langsam hinter mir her! Wenn ich nicht irre, so bin ich schon einmal in diesem Thale gewesen; darum calculire ich, daß ich mich schnell zurecht finden werde.«
    Es zeigte sich so, wie ich vermuthet hatte. Wir befanden uns in einem kleinen, fast kreisrunden Thalkessel, dessen Breite man sehr leicht in fünf Minuten durchlaufen konnte. Er hatte einen Eingang, durch welchen wir gekommen waren, und einen Ausgang, welcher ebenso schmal wie der vorige war. Da hinaus waren die Kundschafter geschickt worden. In der Mitte des Thales befand sich das Comanchenlager. Die Wände des kleinen Kessels bestanden aus Fels, welcher steil anstieg und die Gewähr zu geben schien, daß Niemand da weder hinauf noch herab könne. Wir waren rundum gegangen und an den Posten vorübergekommen, welche sowohl am Ein-als auch am Ausgange standen. Jetzt näherten wir uns dem Lager wieder.
    »Fatal!« brummte der Alte. »Wir stecken ganz richtig in der Falle, und es will mir kein Gedanke kommen, wie man sich da losmachen könne. Müßten es machen wie der Fuchs, der sich das Bein wegbeißt, mit dem er in das Eisen getappt ist.«
    »Könnten wir den ›weißen Biber‹ nicht so weit bringen, daß er das Lager sofort verläßt, um ein anderes aufzusuchen?«
    »Das wäre das Einzige, was wir versuchen könnten. Aber ich glaube nicht, daß er darauf eingeht, ohne daß wir ihm sagen, daß er zwei Apachen bei sich hat. Und das wollen wir absolut vermeiden.«
    »Vielleicht seht Ihr zu schwarz, Sir. Vielleicht sind wir hier ganz sicher. Die beiden Punkte, durch welche man herein kann, sind ja mehr als zur Genüge mit Wachen besetzt.«
    »Ja, zehn Mann hüben und zehn Mann drüben, das sieht ganz gut aus. Aber wir dürfen nicht vergessen, daß wir es mit einem Winnetou zu thun haben. Wie der sonst so kluge und vorsichtige ›weiße Biber‹ auf den dummen Gedanken gekommen ist, sich grad in so einem eingeschlossenen

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