Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
den letzt angekommenen Pferden. Es waren auch ledige dabei gewesen, theils von einer bessern Sorte, welche man schonen und nur dann in Gebrauch nehmen wollte, wenn es darauf ankam, eine ungewöhnliche Leistung zu entwickeln, theils aber auch Thiere von gewöhnlicher Güte, welche als Reservepferde mitgeführt werden mußten.
»Ich habe meinen Brüdern versprochen, ihnen bessere Pferde zu geben,« sagte er. »Ich werde sie ihnen jetzt aussuchen. Mein junger, weißer Bruder, welcher mir das Leben schenkte, soll eines meiner eigenen Rosse erhalten. Die Leute, welche ihn begleiten, werden ihn unterrichten, wie ein indianisch geschultes Pferd zu reiten ist.«
Er suchte fünf Pferde aus. Ich war ganz entzückt über das prächtige Thier, welches er mir brachte. Er sprang aus freier Hand auf und ritt es mir vor, es nur durch Schenkeldruck und Pfiffe lenkend. Ich hatte so etwas noch nicht gesehen. Auch die beiden Lange’s und Sam waren ganz entzückt. Der letztere zeigte alle Zähne und rief:
»Oh, oh, welch ein Pferd Sam bekommen! Sein schwarz wie Sam und sein auch prachtvoll ganz wie Sam. Passen sehr gut zusammen, Pferd und Sam. Oh, oh!«
Einige der wachthaltenden Apachen mußten unsere Sättel den geschenkten Pferden aufschnallen, und dann forderte mich Winnetou auf, das meinige zu besteigen. Kaum hatte ich es gethan, so schlug es hinten empor, dann vorn – einen Bockssprung zur Seite, und ich lag unten – eine wahre Affenschande! Aber der Häuptling lächelte mild und meinte:
»Kein Weißer, selbst wenn er der beste Reiter wäre, könnte sich auf diesem Pferde halten, wenn er nicht die Schulung desselben versteht. Ich werde meinem lieben Bruder jetzt die nöthigsten Rathschläge geben.«
Also er hatte gewußt, daß ich abgeworfen werden würde, und mich doch in den Sattel genöthigt! Ich hätte den Hals brechen können! Ein ächter Indianerstreich. Freilich jagen bei den Rothen die zweijährigen Buben und Mädchen bereits wie die Teufel durch die Prärie, und zwar auf halbwilden Pferden. Da anzunehmen war, daß die Verhandlung zwischen Old Death und dem Anführer der Comanchen nicht bloß fünf Minuten dauern werde, so hatte Winnetou genug Zeit, uns eine Reitstunde zu geben, durch welche wir wenigstens so viel profitirten, daß wir uns in den Bügeln halten und die Pferde nothdürftig lenken lernten.
Wohl dreiviertel Stunden waren vergangen, als der Alte zurückkehrte. Sein Angesicht war sehr ernst. Ich hatte die feste Ueberzeugung gehabt, daß die Comanchen auf die Forderungen Winnetou’s eingehen würden, doch ließ das Gesicht des Scout das Gegentheil erwarten.
»Mein Bruder hat mir das zu sagen, was ich vermuthete,« sagte Winnetou. »Die Comanchen wollen nicht, was ich will.«
»So ist es leider.«
»Der große Geist hat sie mit Taubheit geschlagen, um sie für das zu strafen, was sie thaten; er will nicht, daß sie Gnade finden sollen. Aber welche Gründe geben sie an?«
»Sie glauben, noch siegen zu können.«
»Hast Du ihnen gesagt, daß noch über fünfhundert Apachen gekommen sind? Und wo diese sich jetzt befinden?«
»Auch das. Sie glaubten es nicht. Sie lachten mich vielmehr aus.«
»So sind sie dem Tode geweiht, denn ihre andern Krieger werden zu spät kommen.«
»Es treibt mir die Haare zu Berge, wenn ich denke, daß so viele Menschen in zwei oder drei Sekunden vom Erdboden vertilgt werden sollen!«
»Mein Bruder hat Recht. Winnetou kennt weder Furcht noch Angst, aber der Rücken wird ihm kalt, wenn er daran denkt, daß er das Zeichen der Vernichtung geben soll. Ich brauche nur die flache Hand zu erheben, so krachen alle Schüsse. Ich werde noch ein Letztes versuchen. Vielleicht gibt der große Geist ihnen einen hellen Augenblick. Ich werde mich ihnen selbst zeigen und mit ihnen reden. Meine Brüder mögen mich bis an die Barrière begleiten. Wenn auch meine Worte nicht gehört werden, so darf mir der große, gute Geist nicht zürnen, daß ich seinen Befehl ausrichte.«
Wir gingen mit ihm bis zu der angegebenen Stelle. Dort schwang er sich an dem Lasso empor und ging in aufrechter Haltung oben auf dem Pfade hin, so daß die Comanchen ihn sehen konnten. Er war noch nicht weit gekommen, so sahen wir Pfeile schwirren, die ihn aber nicht trafen, da sie zu kurz flogen. Ein Schuß krachte, aus der Büchse des »weißen Bibers«, mit welcher der Häuptling der Comanchen auf Winnetou gezielt hatte. Dieser schritt so ruhig weiter, als ob er die Kugel, welche neben ihm an den Felsen geprallt war,
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