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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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kann doch nicht allwissend sein; nicht wahr, Mr. Shatterhand?«
    Da diese Frage an mich gerichtet war, so antwortete ich:
    »Allwissend freilich nicht; aber hier war es nicht schwer, den richtigen Schluß zu ziehen, und von einer guten Combination kann im ›wilden Westen‹ das Leben abhängig sein.«
    »Zugegeben! Wir wissen nun also, wer die Roten waren, aber weiter wissen wir nichts.«
    »Wirklich nichts, mein alter Hammerdull?«
    Er schüttelte den Kopf und sah Winnetou fragend an. Dieser liebte das Sprechen nicht und überließ es mir, fortzufahren:
    »Zunächst haben wir es nicht mit blos einigen Kundschaftern, sondern mit einer ganzen Kriegsschar zu thun, deren Zahl, wenn ich den Platz hier berechne, sich auf ungefähr zweihundert beläuft. Die Stelle, wo sie die Pferde gehabt haben, werden wir hier in der Nähe finden. Die Reitspur, also woher sie gekommen und wohin sie geritten sind, ist nicht mehr zu sehen, weil sich da das Gras inzwischen wieder aufgerichtet hat. Hier am Lagerplatze liegt es noch, und ich schließe daraus, daß die Upsaroka’s nicht in der letzten, sondern in der vorigen Nacht hier campiert haben. Weil ihre Jagdgebiete im Norden liegen, sind sie von dorther gekommen und also südwärts geritten, natürlich um die Ogallalah zu überfallen. Sie sind seit gestern früh von hier fort, und wir haben sie also nicht zu fürchten; dafür aber haben wir uns vor den Sioux in acht zu nehmen.«
    »Warum vor diesen? Woher wißt Ihr das?« fragte der Dicke.
    »Dieser Lagerplatz sagt es mir. Es gibt keinen einzigen Ascheplatz hier; die Upsaroka’s haben keine Feuer gebrannt, müssen es also für möglich gehalten haben, daß die Sioux hierher kommen. Diese Vermutung haben ihnen die Kundschafter gebracht, welche jeder Häuptling aussendet, ehe er einen Kriegszug beginnt. Von den Rattlesnake-Bergen zu den Upsaroka’s gibt es zwei Wege, nämlich entweder hier am Fluße abwärts oder drüben an den Bergen hin. Hier am Flusse ist die Gegend offener, also gefährlicher: der andere Weg ist also beschwerlicher aber sicherer; ich bin überzeugt, daß die Sioux ihn einschlagen, wenn sie überhaupt nordwärts wollen. Die Upsaroka’s befinden sich nicht auf dem richtigen Pfade; es steht zu erwarten, daß sie, wenn sie nach den Rattlesnake-Bergen kommen, die Sioux nicht mehr vorfinden, weil diese drüben entlang der Berge nordwärts geritten sind, um die nun unbeschützten Lager der Upsaroka’s zu über allen. Wir haben von hier bis zu den Big Horn-Bergen außerordentlich vorsichtig zu sein. Das alles schließe ich aus der Beschaffenheit dieses Lagerplatzes. Glaubt Ihr nun noch immer, daß wir nichts wissen?«
    »Hm, hm! Ja, eure Augen und meine Augen, das ist doch ein Unterschied – – –«
    Er wurde von Winnetou unterbrochen, welcher ein Stück am Bache hingegangen war, jetzt wieder kam und zu ihm sagte:
    »Man soll nicht allein Augen, sondern auch Gedanken haben! Mein Bruder Shatterhand hat recht. Ich habe den Platz der Pferde gefunden; es sind wohl zweihundert Stück gewesen. Wenn die Ogallalah klug sind, kommen sie längs der Berge herauf, und wir wollen uns beeilen, diese noch vor Abend zu erreichen.«
    Wir stiegen wieder auf und ritten weiter, in viel schnellerem Tempo als vorher. Das war am Vormittage und wir waren bis gegen Abend unterwegs, wo wir auf eine von Norden kommende Spur von zwei Pferden trafen. Dies geschah in einer Gegend, in welcher zahlreiche einzeln stehende Büsche zwar nicht die Bewegung hemmten, aber uns der Fernsicht beraubten. Die Fährte war frisch, höchstens vier oder fünf Stunden alt, doch weiter gab sie uns nichts zu lesen. Wir hatten keinen Grund, uns länger mit ihr zu beschäftigen; wir verzichteten also darauf, ihr zu folgen und wollten eben weiter reiten, als da, wo sie zwischen zwei Sträuchern hervor kam, plötzlich eine Indianerin zu Pferde erschien. Sie erschrack bei unserm Anblicke, wendete das Pferd und verschwand. Was wollte eine Squaw hier? Das mußten wir wissen! Winnetou, der stets und schnell Entschlossene, flog auf seinem Pferde hinter ihr her. Wir konnten ruhig halten bleiben, denn es war der Frau ganz unmöglich, dem Häuptling der Apatschen zu entgehen. Es dauerte auch nur zwei Minuten, so kam er, ihr Pferd am Zügel haltend, mit ihr zurück. Als er uns erreichte, forderte er mich durch einen Blick auf, mit ihr zu sprechen; er zog für sich das Schweigen vor.
    Die Squaw konnte nicht viel über dreißig Jahre alt sein. Sie saß nach Männerart und stolz

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