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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wenn dies geschieht, hoffe ich zuversichtlich, daß wir sie befreien werden.«
    Während ich mit der Indianerin sprach, hatte Winnetou sich an unsere Spitze gesetzt. Hammerdull und Holbers ritten hinter ihr und mir. Ich hörte, daß der Dicke zu dem Langen sagte:
    »Wer hätte gedacht, daß so etwas möglich sei! Erst geben wir uns alle Mühe, den Sioux auszuweichen, und nun reiten wir ihnen grad in die Zähne. Was sagst Du dazu, Pitt Holbers, altes Coon?«
    »Da sagt man nichts, sondern man reitet mit!«
    »Ob man mitreitet oder nicht, das ist ganz egal, nur ausschließen darf man sich nicht davon. Doch halt, was ist mit Winnetou?«
    Der voranreitende Apatsche hielt nämlich in diesem Augenblicke sein Pferd an und gab uns einen Wink zurück, die unsrigen auch zu parieren. Dann stieg er ab. Ich that dasselbe und ging zu ihm hin. Wir befanden uns an der Ecke eines ausgedehnten Gebüsches, hinter welchem eine kleine, offene Prairie folgte. Sie war nicht ganz eine halbe englische Meile breit und stieß jenseits an einen Wald, an dessen Rand wir eine bedeutende Schar von Reitern erblickten, welche soeben von ihren Pferden gestiegen waren, um Lager zu machen. Es war allerdings auch nicht zu früh dazu, denn die Sonne hatte sich schon so tief niedergesenkt, daß sie in kurzer Zeit verschwinden mußte. Das waren die Sioux Ogallalah, und was wir vermutet hatten, war also eingetroffen.
    Die Squaw, Holbers und Hammerdull stiegen auch von ihren Pferden. Der letztere sagte in seiner drollig zuversichtlichen Weise:
    »Da haben wir sie ja! Das sind gewiß auch zweihundert Mann. Wie werden sie erschrecken, wenn wir über sie hinwegstolpern! Denn wir machen uns doch an sie, Mr. Shatterhand, was?«
    »Natürlich!« antwortete ich. »Wir müssen ihnen doch die beiden Knaben abnehmen.«
    Da fragte die Squaw rasch:
    »Mein weißer Bruder glaubt also, daß diese Krieger meine Söhne wirklich ergriffen haben?«
    »Ganz gewiß. Sie befinden sich ja auf der Spur Deiner Kinder und würden nicht grad auf derselben Lager machen, wenn sie nicht diejenigen gefangen genommen hatten, von denen diese Fährte geritten worden ist. Sie fühlen sich vollständig sicher, und es fällt ihnen gar nicht ein, zu denken, daß noch jemand denselben Stapfen folgen könnten. Hätten sie ihren Weg nur noch bis hieher verfolgt, so wären wir ihnen zwar noch schnell ausgewichen, aber sie hätten die Hufeindrücke unserer Pferde entdeckt.«
    »Und denkt Old Shatterhand, daß wir die Gefangenen befreien können?«
    »Ich hoffe, daß es möglich ist. Nur müssen wir verlangen, daß Du vollständig darauf verzichtest, auch nur das Geringste dabei zu unternehmen, denn Du könntest leicht alles verderben.«
    »So laß uns schnell einen Umweg machen und hin reiten!«
    »Habe nur Geduld! Wir können nicht eher von hier fort, als bis es vollständig dunkel geworden ist.«
    Wir banden die Pferde an und setzten uns nieder. Die Frau konnte nicht still sitzen; sie rückte unruhig hin und her. Das war mir sehr begreiflich, aber wenn sie sich später im Augenblicke der Entscheidung auch nicht besser zu beherrschen vermochte, so machte es sich nötig, sie unter Aufsicht zu nehmen.
    Hammerdull freute sich auf das zu erwartende Abenteuer; er rieb sich vergnügt die Hände und sagte:
    »Hoffentlich, Mr. Shatterhand, habt Ihr Euch nicht vorgenommen, wieder, wie gewöhnlich, den Streich allein auszuführen. Ich will auch dabei sein! Ich möchte nicht immer bloß den Zuschauer machen.«
    »Was und wie wir es thun werden, das kommt ganz darauf an, in welcher Lage sich die Gefangenen befinden«, antwortete ich.
    »Die Lage geht mich gar nichts an! Ob es eine Lage gibt oder ob es keine gibt, das ist ganz und gar egal, wenn sie uns nur günstig ist. Frei müssen die beiden jungen Upsaroka’s werden. Meinst Du nicht auch, Pitt Holbers, altes Coon?«
    »Hm, wenn Du denkst, lieber Dick, ich habe nichts dagegen,« antwortete der lange Pitt.
    Winnetou lag lang ausgestreckt im Grase und sagte kein einziges Wort dazu. Sein männlich schönes, bronzenes Gesicht war völlig unbewegt. Er, der Vornehme, hielt es für vollständig überflüssig, ein Wort über eine Angelegenheit zu verlieren, in welcher nur die That zu sprechen hatte. Von ihm war im geeigneten Augenblicke ein einziger, kurzer Wink von größerer Bedeutung als tausend Worte, die ein anderer sprach.
    Die Zeit verging; es wurde dunkel und dann finstere Nacht. Der Himmel hatte sich bewölkt, und nur hier und da blickte einmal ein Stern

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