Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
im Sattel, war wolthuend sauber gekleidet und verriet durch keine Miene, daß oder ob sie Angst vor uns hatte. Sie war jedenfalls allein, sonst hätte der Apatsche sich anders verhalten; darum fragte ich gar nicht nach ihrer Begleitung, sondern sagte:
    »Es ist seltsam, daß eine Squaw sich ohne Schutz so weit von ihrem Lager entfernt. Wodurch wurde meine rote Schwester gezwungen, dies zu thun? Will sie mir ihren Namen sagen?«
    Ihr Auge leuchtete stolz auf, als sie antwortete:
    »Warum spricht mein weißer Bruder von Schutz? Kann es keine Squaw geben, die sich nicht fürchtet? Ich sehe drei Bleichgesichter und nur einen roten Mann. Glauben die Bleichgesichter an den heiligen Erretter, welcher der Sohn des großen Geistes ist?«
    »Ja.«
    »Ihr seid Christen und in euern Augen lebt die Ehrlichkeit. Ihr gleicht nicht anderen Bleichgesichtern, welche die Güte auf der Zunge, aber den Haß und den Betrug im Herzen tragen; ich traue euch. Ich bin Uinorintscha ota, die Squaw von Uamduschka sapa 2 , des Häuptlings der Upsaroka’s.«
    Uinorintscha ota heißt »viel Frauen«, ein Name, welcher nach indianischer Ausdrucksweise schließen ließ, daß sie bei ihrem Manne in ungewöhnlicher Achtung stand. Ich fragte:
    »Du vertraust uns, weil wir Christen sind, und hast den Sohn des großen Geistes unsern Erretter genannt. Hat dir vielleicht ein Pu teh uakon 3 von ihm erzählt?«
    »Mir nicht; aber die Mutter meiner Mutter war die Squaw eines Kriegers der Mandans und liebte die Squaw eines weißen Pu teh uakon, von welcher sie das Gebet erlernte; sie betete auch mit ihrer Tochter, und diese, meine Mutter, erzählte mir alles, was sie von Uakantanka tschihintku 4 wußte, und betete mit mir.«
    »Betest Du auch jetzt noch?«
    »Ich bete mit meinen beiden Knaben, doch darf der Häuptling es nicht hören, denn er haßt die Bleichgesichter, welche unter dem Vorgeben, uns das Gebet zu bringen, nur das Verderben in unsere Wigwams tragen.«
    »Er scheint Dich sehr lieb zu haben. Darum reitest Du ihm wohl nach?«
    Sie stutzte, besann sich kurze Zeit und antwortete dann:
    »Wie kommt das Bleichgesicht auf den Gedanken daß ich ihm folge, daß er sich also nicht daheim im Lager befinde?«
    »Ich weiß, daß er mit einer Schar von Kriegern von dort aufgebrochen ist, um die Sioux Ogallalah zu überfallen. Er ist da drüben am Flusse aufwärts geritten, und meine rote Schwester befindet sich also, falls sie zu ihm will, auf falschem Wege.«
    »Sagst Du die Wahrheit?« fragte sie erstaunt.
    »Ja; wir wissen es genau. Wenn Du in dieser Richtung weiterreitest, wirst Du wahrscheinlich auf die Ogallalah treffen. Ich warne Dich!«
    Jetzt verwandelte sich der Ausdruck des Erstaunens auf ihrem Gesichte in den des Schreckens, und sie erkundigte sich in hastiger Weise:
    »Haben die Sioux die Ratllesnake-Berge verlassen? Werden sie hier abwärts kommen?«
    »Ich vermute es.«
    »Kennst Du sie? Seid ihr Freunde von ihnen?«
    »Wir sind Freunde aller roten und weißen Menschen; aber die Sioux erkennen das nicht an; sie hassen uns; Du bist erschrocken. Du siehst mich forschend an. Hast Du einen Wunsch? Ich will Dir sagen, wer wir sind; dann wirst Du Vertrauen zu uns haben. Dieser rote Krieger neben Dir ist Winnetou, der große Häuptling der Apatschen, und ich bin – –«
    »Old Shatterhand?« fiel sie mir in die Rede »Wo Winnetou ist, da befindet sich auch Old Shatterhand. Sag mir, ob Du dieses Bleichgesicht bist!«
    »Ich bin es.«
    »Uff! Ihr seid Feinde meines Stammes; aber wenigstens ich habe nichts von Euch zu fürchten, denn diese beiden berühmten Krieger sind zu stolz, sich an einer Squaw zu vergreifen.«
    »Du irrst. Wir sind nicht Feinde der Upsaroka’s; wir wünschen Frieden mit allen Menschen, auch mit Euch.«
    »Aber unsere Krieger haben Euch vor einigen Monden, um Euch zu töten, bis an den Schlangenfluß verfolgt!«
    »Das ist richtig, und doch hatten wir ihnen nichts gethan! Sie irrten sich in uns, und wir verzeihen ihnen. Hoffentlich finden wir bei Dir mehr Vertrauen als bei ihnen?«
    Ihr Auge ruhte angstvoll auf der Spur, welcher sie gefolgt war; sie kämpfte eine Weile mit sich und sagte dann in entschlossenem Tone:
    »Ja, ich will Euch trauen, denn meine Angst ist groß. Ich bin eine Squaw und weiß nicht, wie ich meine Knaben retten kann. Winnetou und Old Shatterhand werden sich nicht dadurch an den Kriegern der Upsaroka’s rächen, daß sie mich belügen und meine Söhne in den Tod reiten lassen.«
    »So bist Du nicht dem

Weitere Kostenlose Bücher