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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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des Entsetzens:
    »Halt, thue es nicht, thue es nicht! Ich beschwöre dich beim großen Geiste, laß sie leben, und töte lieber mich!«
    Sie sprang hinaus und auf das Feuer zu. Es war Uinorintscha ota, die Häuptlingsfrau. Die Sorge um ihre Kinder war zu mächtig gewesen; sie hatte sich von Hammerdull und Holbers nicht halten lassen und sich herbeigeschlichen. Ohne uns zu sehen und von uns bemerkt zu werden, war sie unsere Nachbarin gewesen und hatte die Drohungen Folders gehört. Jetzt lag sie draußen bei ihren Söhnen auf den Knieen, liebkoste sie und rief und bat:
    »Gebt sie frei; laßt sie los! Bindet mich, lieber mich mit den Schlangen zusammen! Sie dürfen nicht gebissen werden; ich will an ihrer Stelle sterben, ich!«
    Es läßt sich denken, daß das plötzliche Erscheinen der Squaw großes Aufsehen erregte. Die Sioux sprangen auf und drängten sich herbei. Folder, welcher die Frau kannte, rief halb erstaunt und halb erfreut aus:
    »All devils! Das ist ja Uinorintscha ota, die fromme Frau des Upsaroka-Häuptlings! Sag sofort, Weib, wie Du hier in diese Gegend kommst!«
    »Ich bin meinen Söhnen nach, weil sie fortgeritten sind, ohne mich zu fragen,« antwortete sie.
    »Ist das wahr?«
    »Ja.«
    »Wer hat Dich begleitet?«
    »Niemand.«
    »So bist Du allein?«
    »Ja.«
    »Kommt jemand nach?«
    »Nein.«
    »Weiß dein Mann, wo Du bist?«
    »Nein.«
    »Bist Du geritten? Wo hast Du dein Pferd?«
    »Als ich eure Feuer sah, habe ich es draußen auf der Prairie stehen lassen und mich herbeigeschlichen.«
    »Verteufelte Geschichte! Das kann uns unsern ganzen, schönen Plan verderben! Erst die Knaben fort und dann die Squaw fort; die ›Schwarze Schlange‹ wird natürlich nach ihnen suchen lassen. Wenn wir von einem solchen Späher vor der Zeit gesehen werden, ist alles verraten. Wir müssen dreifach vorsichtig sein. Bindet die Squaw!«
    »Ja, bindet mich!« bat sie. »Aber laßt dafür meine Kinder frei.«
    »Weib, bist Du verrückt? Du kommst mir grad recht, denn ich habe sechs Schlangen, für jede Person zwei. Ich will mich an der Freude ergötzen, welche Du über deine roten Bengels haben wirst, wenn sie sich mit den Ratlesnakes um die Wette winden. Also bindet sie; dann werde ich sie noch weiter ausfragen!«
    Er schob den Stab mit der Schlange in den Ledersack zurück; indem er dieses that, sagte »Langer Leib« zu ihm:
    »Mein weißer Bruder mag mir erlauben, daß ich Späher aussende!«
    »Warum? Wohin?«
    »Die Squaw kann uns belogen haben, als sie sagte, daß sie allein sei. Sie hat im Walde gesteckt und uns belauscht. Wir müssen ihn und den ganzen Umkreis des Lagers absuchen, um zu erfahren, ob sie die Wahrheit gesprochen hat.«
    »Ja, das müssen wir allerdings. Es wäre verteufelt, wenn wir von hier fort müßten, denn grad hier gibt es eine Stelle, wie ich sie gar nicht besser für mein Schauspiel finden kann. Ich kenne hier eine tiefe, weite Cache 9 , welche ich früher selbst mit gegraben habe; da hinein wollte ich diese drei Roten mit den Schlangen werfen. Also sucht! Ich hoffe, daß niemand zu finden ist.«
    Jetzt war es die höchste Zeit für Winnetou und mich, uns zu entfernen. Wir huschten erst ein Stück zurück, tiefer in den Wald hinein, und eilten dann nach der Stelle zurück, an welcher Hammerdull und Holbers auf uns warteten. Diese beiden empfingen uns in großer Verlegenheit, denn sie glaubten, von uns tüchtig ausgescholten zu werden.
    »Wir sind nicht schuld,« sagte der Dicke. »Die Squaw hat uns nicht gefragt, hat kein Wort gesprochen; sie sprang plötzlich auf und war fort. Habt ihr sie nicht gesehen? Sie muß euch nachgelaufen sein.«
    »Sie ist gefangen,« antwortete ich. »Steigt schnell auf; wir müssen fort!«
    »Wohin?«
    »Kommt nur, kommt!«
    Wir nahmen natürlich das Pferd der Squaw mit. Die Sioux glaubten, sie habe es auf der Prairie stehen lassen; von da konnte es sich verlaufen haben; wenn es fehlte, war dies kein Grund zum Verdacht. Wir entfernten uns wohl eine halbe Meile weit und hielten erst dann an, als wir überzeugt waren, daß die Nachforschungen der Ogallalah sich nicht bis zu uns erstrecken würden. Als wir uns da ausgestreckt hatten, fragte ich den Apatschen:
    »Wann gehen wir wieder hin?«
    »Um Mitternacht,« antwortete er.
    »Das denke ich auch; eher nicht. Wir müssen warten, bis alles schläft.«
    Er schwieg eine Weile und stieß dann den Seufzer aus:
    »Uff! das ist wieder einmal ein Bleichgesicht, ein – – – – Christ! Ein Indianer ist ein Engel

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