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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hernieder, um gleich wieder zu verschwinden. Nun war es Zeit für uns. Wir brachen auf und ritten über die Prairie, doch nicht in gerader Linie, weil diese uns direkt hinüber zu den Sioux geführt hätte; wir richteten es vielmehr so ein, daß wir den Waldesrand so weit von ihnen erreichten, daß sie uns nicht hören und noch viel weniger sehen konnten. Wie sicher sie sich fühlten, das zeigte uns der Umstand an, daß sie nicht nur sehr hohe, helle Feuer brannten, sondern es auch gar nicht für nötig hielten, diese in irgend einer Weise zu maskieren. Wir banden unsere Pferde wieder an; dann sagte ich zu Hammerdull und Holbers:
    »Ich gehe jetzt mit Winnetou recognoszieren; wir lassen unsere Gewehre hier bei Euch, und Ihr entfernt Euch, bis wir wiederkommen, auf keinen Fall von dieser Stelle.«
    »Darf ich denn nicht mit?« fragte er mißmutig.
    »Ihr würdet jetzt vollständig überflüssig sein. Später werdet Ihr sehr wahrscheinlich noch genug zu thun bekommen.«
    »
Well;
darauf will ich mich verlassen!«
    »Und sorgt vor allen Dingen dafür, daß die Squaw hier bleibt. Gebt ja nicht etwa zu, daß sie uns folgt; es könnte keine größere Dummheit geschehen, als diese wäre!«
    Wir gingen. Indem wir dicht am Waldesrande hinschlichen, näherten wir uns dem Lager der Ogallaha so weit, daß wir die uns zunächst sitzenden Gestalten ziemlich deutlich erkennen konnten; dann war es Zeit, den Rest des Weges unter den Bäumen zurückzulegen; auf diese Weise kamen wir unbemerkt so weit, daß wir, im Saume des Gehölzes versteckt, die Ogallalah nahe vor uns liegen hatten.
    Von außen her war nicht heranzukommen, weil die Roten ihre Pferde in einen Halbkreis um das Lager angepflockt hatten, und diese Tiere pflegen die Annäherung eines Weißen durch Schnauben zu verraten. Es brannten mehrere Feuer; man konnte fast jedes Gesicht deutlich erkennen. Wir waren neugierig auf den Anführer der Truppe, denn wir kannten alle hervorragenden Häuptlinge und Krieger der Sioux. Wir sahen aber außer lauter jungen Leuten nur einen alten Indsman, welcher im Rufe der Klugheit stand und darum bei Beratungen hinaufgezogen wurde, sonst aber keinen Rang besaß. Er hieß Tantschau honska, 6 ein Name, welcher sich auf seinen Körperbau bezog. Er saß an einem der Feuer ganz allein mit einem Manne, welcher unsere Aufmerksamkeit besonders auf sich zog, denn er war ein Weißer. Von robustem, starkknochigem Baue, hatte er einen wahren Stierkopf auf dem Nacken sitzen; seine breiten, wie zugehackten Gesichtszüge machten den Eindruck der heimtückischen List und Gewissenlosigkeit. Wer er war, das wußten wir nicht; wir hatten ihn nicht gesehen. Neben ihm lag ein ranzenartig zusammengenähtes graues Wolfsfell, aus dessen zugebundener Oeffnung einige mehr als fingerstarke Stäbe hervorragten. Dieses Fell wurde zuweilen von innen bewegt; es schien irgend ein lebendiges Tier darin zu stecken. Auf der andern Seite des Feuers lagen die beiden Upsarokaknaben, welche wir suchten; sie waren so fest gebunden, daß sie kaum ein Glied regen konnten. Die Sioux aßen; wir sahen, daß sie einen Büffel geschossen hatten, dessen Fleisch sie über die Feuer hielten, um es leicht anzubraten und dann zu verzehren.
     

    Sie sprang hinaus und auf das Feuer zu …
     
    Daß ›Langer Leib‹ mit dem Weißen allein an einem Feuer saß, ließ vermuten, daß sie beide die Truppe befehligten. Wie kam dieses fremde Bleichgesicht dazu, die Sioux hierher nach dem Big Horn-River zu führen? Hatte er eine Rache gegen die Upsaroka’s? Waren die Ogallalah von ihm durch Versprechungen veranlaßt worden, ihm bei der Ausführung derselben beizustehen? Das fragte ich mich, und Winnetou hatte jedenfalls ganz dieselben Gedanken.
    Wir krochen, um vielleicht etwas zu erlauschen, dem betreffenden Feuer so nahe, wie das Terrain es uns erlaubte; hinter einem Beerenstrauch liegend, konnten wir den ganzen Lagerplatz überblicken. Ich nahm an, daß die beiden Anführer mit den zwei Gefangenen noch nicht viel gesprochen hatten; es war ja während des Rittes hierher keine passende Gelegenheit dazu gewesen. Die Richtigkeit dieser Annahme sollte ich sofort erfahren, als der Weiße fertig mit essen war. Er wischte sich das Messer an seinem Aermel ab und sagte zu dem »Langen Leib«:
    »Jetzt wird es Zeit sein, diese Upsaroka-Brut vorzunehmen. Hat mein roter Bruder etwas dagegen?«
    Der Sioux knurrte etwas, was nein bedeuten sollte, und so gab der Weiße einem Indianer den Befehl, die Gefangenen so

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