Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
Didahn ed Dschild?« 19
»Keinen einzigen!«
»Ja, da ist es für Dich sehr leicht, so gleichgültig zu sein! Ich aber habe eine ganze Menge dieser Didahn el Wischsch 20 aus den von ihnen angemaßten Wohnungen zu vertreiben und kann also unmöglich so teilnahmlos sein wie Du. Der Mann, für den die Schönheit seines Weibes keinen Wert hat, verdient gar nicht, ein Weib zu besitzen. Merke Dir das, Sihdi!«
Das war auch eine Ohrfeige, welche er mir gab, wenn auch nicht mit der Hand! Er war innerlich nicht davon befriedigt, daß es in »meinem Harem« keinen einzigen Dud ed Dschild gab, während in dem seinigen sehr viele zu finden waren. Übrigens wurde es uns gar nicht schwer, die erwähnten Beobachtungen zu machen, denn wir beide bildeten den Gegenstand der Neugierde des ganzen Lagers, und besonders war es der weibliche Teil der Bewohner desselben, welcher uns seine Aufmerksamkeit widmete. Das geschah aber nicht etwa in aufdringlicher oder uns verletzender Weise, sondern so harmlos und unbefangen, als ob ihnen das Indie-Berge-schleppen fremder Reisender etwas ganz Gewohntes und Selbstverständliches sei. Dabei ließen sie diese oder jene Bemerkung fallen, und so erfuhren wir aus einer gelegentlichen Äußerung, daß die Ihlauts, in deren Hände wir gefallen waren, zu der Unterabteilung der Idiz gehörten. Als Halef dies vernahm, sagte er zu mir:
»Hamdulillah – Allah sei Preis und Dank dafür, daß wir uns glücklicherweise bei den ›Spitzbuben‹ befinden, deren Angehörige die Umm ed Dschamahl ist! Nun darf ich hoffen, die Salbe zu bekommen, ohne daß es notwendig ist, ganz nach Kirmanschah zu reiten.«
Der wackere kleine Mann dachte also nur an die berühmte Salbe, nicht aber daran, daß wir Gefangene waren. In der letzteren Beziehung besaß er genau dieselbe Zuversichtlichkeit wie ich. Bei ihm stand es ebenso fest wie bei mir, daß unsere jetzige Lage eine schnell und glücklich vorübergehende Episode für uns sei.
Als die Idiz gegessen und den Pferden eine Stunde Ruhe gegönnt hatten, ritten wir weiter. Unser Weg führte durch verschiedene Schluchten und Thäler fortwährend bergan. Die Gegend, durch welche wir kamen, war bewaldet und reich an Bächen und Quellen, was man leider nicht mehr von jedem Teile des einst so wohlbewässerten persischen Reiches sagen kann. Dann kamen wir auf eine baumlose Hochebene, über welche ein empfindlich kalter Luftzug strich. Im Osten stieg der lange Para Kuh und hinter ihm der hohe Elwend empor, der erstere nur teilweise, der letztere aber ganz weiß mit Schnee bedeckt.
Wir ritten Galopp. Nach einer Stunde senkte sich das Terrain wieder; wir ritten in einem engen Thale bergab, wo es wieder Wald und Wasser gab. Ich war noch nicht in dieser Gegend gewesen, glaubte aber Grund zu der Vermutung zu haben, daß wir uns in der Nähe des von lauter Ali-Ilahi’s bewohnten Ortes Gamara befänden. Wahrscheinlich lag er im Norden von uns, während wir genau nach Osten ritten. Gegen Abend ging es über eine grasige, rings von Bergen eingeschlossene Niederung und dann an einem Walde hin, dessen Rand erst in gerader Linie nach Süden lief und später eine tiefe, breite Wiesenbucht bildete, welche das Ziel unseres Rittes war.
Hier gab es eine ganze Menge von schwarzen Nomadenzelten, welche ich nicht überblicken konnte, weil es schon fast dunkel geworden war. Unter den Bäumen gab es aus Stangenholz errichtete und mit Rasen gedichtete Hütten, welche gegen Kälte, Wind und Wetter mehr Schutz boten als die dünnen Zelte. In ihnen und vor den Zelten brannten schon die Abendfeuer, welche ihren flackernden Schein auf das rege Leben und Treiben des Lagers warfen. Die Bewohner desselben schienen einen bedeutenden Besitz an Weidetieren zu haben. Wir mußten uns zwischen den Herden hindurchwinden, ehe wir den Urd 21 erreichten.
Die Leute liefen, als wir ankamen, nun neugierig zusammen; es wurde ihnen aber keine Zeit gelassen, uns lange zu betrachten. Wir ritten zwischen ihnen hindurch nach einer der erwähnten Hütten, in welche man, nachdem wir abgestiegen waren, uns brachte. Da mußten wir uns auf eine Streu legen und wurden so gefesselt, daß nach der Ansicht dieser Leute an ein Entrinnen gar nicht zu denken war. Der Anführer bedeutete uns, daß jeder Versuch zur Flucht sofort mit dem Tode bestraft werde; was unsere Behandlung von jetzt an betreffe, so werde er die Nezaneh 22 darüber befragen. Hierauf entfernte er sich; aber ein junger, wohlbewaffneter Krieger blieb zu unserer
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